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den bogen spannen

wissenschaftlerInnen auf der suche nach fragen an die kunst

(elfie miklautz, ursula brandstätter, wilhelm berger)

E.M.: Mir ist wichtig, dass die Fragen, die wir einander stellen, prozessorientiert sind, also nicht auf einer Metaebene, im Sinne von, was macht Kunst überhaupt oder was ist künstlerische Kreativität, sondern ich würde gerne danach fragen, was die Leute, wenn sie ihr Subprojekt anfangen, da jetzt tun, wann ihnen das erste Mal etwas eingefallen ist beispielsweise – in der Badewanne oder beim Spazierengehen oder weil sie an einem Tisch gesessen sind und gedacht haben, was mache ich zu dem Thema – also warum kam quasi das, was auch zieht, was angefitzt hat. Ich gehe zunächst einmal davon aus, dass es etwas gibt, damit man tätig wird, was einem reizvoll erscheint, weiß ich nicht ob das so ist, ich vermute es jedenfalls, dass es bei Künstlern jedenfalls so ist und dass man dann so einen Produktionsprozess begleitend befragt auf der Ebene von: welche Momente waren das, in denen in dieser Arbeit ein Schritt weitergegangen ist, oder wo eine Entscheidung getroffen wurde, und das eben ausgehend von unseren Subprojekten, das ist mir eine interessante Frage. Im Zusammenhang damit möchte ich gerne, dass die Fragen eine Form haben, die abweicht von Befragungsmethoden, wie ich sie aus meinem Wissenschaftszusammenhang kenne, das heißt mir gefallen Fragen, die Kinder stellen, wenn Kinder beispielsweise fragen: „Wieso fällt der Mond nicht runter?“, kann keiner gescheit eine Antwort geben aufs Erste, weil es so banal ist, komplex ist, also ich würde gerne Fragen finden, erfinden, die auch von der Frageform her schon eine neue Frage eröffnen oder so eine, die sozusagen man noch nicht schon sieben Mal im letzten Zeitmagazin gestellt hat an den Schriftsteller Herrn Handke – „Wie geht es ihnen, wenn sie das machen?“ oder so oder –  „Wann fangen sie an?“ – oder so. Also auch in der Frageformulierung ist es mir ein Bedürfnis, sagen wir mal so, da offen zu sein auch für Fragen, die zunächst merkwürdig erscheinen mögen, wenn sie auftauchen, ich möchte gern sozusagen Fragen generieren bei mir selber, die in der Weise keck sind oder schräg. Es gibt ein Buch von Gregory Bateson „Gespräche mit seiner Tochter“, wo solche Fragen von dieser Tochter immer an den Vater gestellt werden, das sindwissenschaftstheoretische Fragen zu Komplexität höherer Ordnung oder so, also durchaus komplizierte Themen, aber in einer Weise gefragt, dass auch die Antwort anders ausfällt, als wenn das vierte Interview zum Sonntag vom Schriftsteller gegeben wird. Das ist das Eine, die Art wie das ist.

Was mich in besonderer Weise auch interessiert, das war ja viel früher schon Thema, was denn Kriterien für die Leute dafür sind, dass etwas als irgendwie konsistent, als in sich geschlossen und als wertig angesehen wird, also wann haben sie das Gefühl, was sind die Voraussetzungen dafür zu sagen, das ist es jetzt, wie stellt sich sowas ein, dass man sagt, das ist mein fertiges Produkt. Beim Schriftsteller hieße das beispielsweise, er geht er noch sieben Mal über den Text drüber, und beim Komponisten weiß ich nicht, wie da Überarbeitungen stattfinden oder was überhaupt Unbehagen verursacht an dem, was bis jetzt da ist und noch erweitert werden soll oder verbessert. Also was heißt verbessern, was heißt optimieren, was heißt: so, jetzt bin ich zufrieden und gebe es aus der Hand? Und woran denke ich dabei, an wen denke ich auch dabei, ist das etwas, das etwas inneres Zwingendes hat, dass ich erst etwas loslassen kann, wenn ich das Gefühl habe, das ist super, oder denke ich an irgendwelche Außenwelten, wo ich sage, nein so gebe ich das nicht aus der Hand, weil da sagen die Leute, was macht denn der da oder so? Wie diese Gewissheit entsteht, das ist jetzt fertig, und wie überhaupt Wissen entsteht, also wann ist etwas evidenterweise ein künstlerisches Produkt und wann ist es quasi gültig für einen selber, für die Welt? In den Wissenschaften würde man sicher dann auf Wahrheit rekurrieren oder auf irgendwelche Verweise, Zitationen, auf solche Dinge, aber was ist es in den Künsten, was die Sache als fertiggestelltes Produkt erscheinen lässt für die Beteiligten?

Was mich interessiert an den Produktionsvorgängen selbst ist, wie eben diese Ideen entstehen und welche Rolle dabei so Dinge wie Intuition spielen oder Bauchgefühl oder so, also wie überhaupt der Körperbezug beispielsweise da mit eine Rolle spielt, und ob es Formen gibt, dass man sozusagen absichtlicherweise ein gutes Produktionsklima herbeiführt, also gibt es etwas, was ich tue, damit ich möglichst dafür sorgen kann, eine Idee zu haben, oder einen Einfall oder so, und wenn ich ihn habe, schreibe ich ihn sofort auf, notiere mir das irgendwie, fange ich überhaupt an mit Skizzen oder fange ich an irgendeinem Eck an und schaue, wie es sich entwickelt. Sind das eher Zufälle, die dazu führen, den nächsten Schritt zu machen, oder ist das eine systematische Vorgangsweise, dass ich sage ok, jetzt bin ich an dem Punkt und jetzt mache ich das und das, auf dass sich das Ding weiterentwickle. Gibt es also so etwas wie willentliches Herbeiführen, oder muss man auf die Eingebung warten, wie man das früher genannt hat?

Als Letztes vielleicht zur Frage, was mich interessiert, das ist durchaus auch der Unterschied zwischen den Künsten, so wie du es auch anfangs gesagt hast, wie beispielsweise sprachliche und nicht sprachliche Formen von Werkproduktion oder Sinnproduktion sich voneinander unterscheiden, also sprich welche Rolle spielt zum Beispiel das Klangliche in der Sprache, jenseits davon, dass es eine bestimmte Bedeutung zu übermitteln hat, weil halt Worte einen semantischen Gehalt haben, also diese Ähnlichkeiten eigentlich da, was den Klang betrifft zwischen Komponisten und Schriftstellern finde ich ganz interessant. Was mich auch interessiert, ist Erkenntnisgenerierung über Kontemplation, ob das in künstlerischen Produktionsprozessen auch eine Rolle spielt, wie Mystiker früher sich in etwas hineinversetzt haben, in ein Blatt oder einen Stein oder so und gewissermaßen zu diesem Stein geworden sind und dann haben sie nichts damit gemacht. Künstler machen das vielleicht auch und dann machen sie aber etwas damit, nämlich irgendwelche Aussagen über den Stein oder setzten das um in eine neue Ausdrucksform, was in dieser Begegnung mit diesem Stein sich ereignet hat durch Versenkung. Das war es einmal fürs Erste.

W.B.: Die Frage ist halt, wie man solche Fragen bearbeitet, ohne dass man die Beteiligten zum Beispiel überfordert, also jetzt meine ich nicht uns als Projekt, sondern das sind ja so quasi Fragen, die sind ja nicht direkt die, die sich die Künstler selber stellen.

E.M.: Davon gehe ich auch sicher aus, dass das nicht deren Fragen an sich selber sind, weil die machen einfach und sind froh wenn es gut gelingt, und man weiß vielleicht um neun in der Früh brauche ich nicht anfangen, weil da ist mir noch nie etwas eingefallen, sondern ich fange um zehn am Abend an, oder was auch immer, aber Rechenschaft über alle diese Prozesse geben sie sich üblicherweise nicht, wozu sollten sie das tun, aber in dem Fall wäre quasi die  Bitte an sie, solche Fragen von uns zuzulassen und dazu auch etwas zu sagen, wobei also, woran ich jetzt denke, und das ist vielleicht nicht unbedingt die einzige Form und vielleicht auch nicht die raffinierteste Form, ich denke jetzt quasi an eine Situation, wo jemand von uns und jemand von den Künstlern zusammensitzt und irgendso eine Einstiegsfrage formuliert, also nicht auf einem hohen Abstraktionsniveau, sondern auf einer sehr konkreten Ebene als Einstiegsfrage sagt –  „Wie hast denn du eigentlich angefangen, als klar war, wir machen etwas über Raum?“ Abgesehen davon, dass mich natürlich auch interessiert, wie kooperieren denn die miteinander, wenn das Teams sind, und das sind sie ja oft, auch bei uns jetzt, aber dass man die Frage auf einer arbeitsbezogenen Unmittelbarkeitsebene stellt und nicht auf einer theoretisch abgehobenen Ebene, so dass sie im Erzählen dessen, was gerade getan wurde von ihnen, Antworten auf abstraktere Fragen auch mitgeben, indem sie verallgemeinerbar sind, aber man hätte dann so Schlaglichter auf künstlerische Produktionsprozesse von einzelnen Künstlern, da kann man dann zwar nicht sagen, dass das bei jedem Musiker und Komponisten notwendigerweise immer so stattfindet, aber typische Merkmale, exemplarische Arbeitsweisen, Vorgangsweisen hätte man dann vielleicht.

Eine andere Möglichkeit ist sicher auch, ein noch viel näheres An-Dem-Dran-Sein, indem man Tage verbringt mit ihnen, also Tage, an denen produziert wird, sie begleitet, auf der Beobachtungsebene, und zwischendurch erlaubt man sich vielleicht die eine oder andere Nachfrage zu stellen – „Warum tust du jetzt gerade das?“ Oder – „Wie kommst du von dem, was du gerade getan hast, dorthin, dass du jetzt was anderes tust?“ Für diese Methoden des Austauschens fällt mir bislang eben die Form des Interviews und die Form der Beobachtung ein, da gibt es aber vielleicht auch noch ganz andere Möglichkeiten. Überforderung sehe ich nicht wirklich, weil wenn mich zum Beispiel jemand fragt – „Was hat das, wie es dir geht, damit zu tun, ob du heute beim Artikel weiterschreibst oder nicht?“ – oder so, dann sage ich – „Du, das habe ich mir noch nicht überlegt, ich weiß, wenn es mir nicht so gut geht, schreibe ich nicht so gut,“ aber dann kann ich ja in diese Frage reingehen und mir denken, wie war das das letzte Mal, da ist dieses oder jenes passiert, und mir ging es nicht gut, und trotzdem habe ich etwas geschrieben [W.B.: Ja.], das habe ich dann eigentlich nicht mögen, oder das habe ich dann weggeschmissen oder weiß ich nicht, weißt du, dass man über eine Frage den Anstoß halt kriegt, darüber nachzudenken, über etwas, worüber man sonst nicht nachdenkt. [W.B.: Ja.] Und man könnte das dann ja auch so machen, dass solche Interviews dann, also ich hab halt Erfahrung mit Auswertungen von qualitativen Interviews, man könnte, wenn man das will, mitunter auch eines dieser Interviews, das einem interessant erscheint, einem Auswertungsverfahren unterziehen, das noch einmal eine zusätzliche Dimension aufschließt dessen, was sozusagen nicht gesagt wird, dessen was ungesagt blieb oder implizit enthalten ist oder so, das könnte man dann auch noch machen. In diesem Fall würde ich es wichtig finden, dass man das, was man dabei meint, herausgefunden zu haben, dem anderen noch einmal rückkoppelt und mit dem das noch einmal bespricht, im Sinn von – „Wie siehst du das? Für mich ist das so, als wär Doppelpunkt“ – und wenn der andere sagt – „Bist narrisch?“ Das müsste dann auch noch mit drin sein, so eine Feedbackschleife, wobei man nicht zu einer Einigung kommen muss, sondern der eine sagt, ich sehe das so, und der andere sagt, für mich bedeutet das dieses oder so, aber weiter sind meine Überlegungen da nicht gediehen, aber in diese Richtung gehen sie halt.

Ja, diese Überschneidung oder diese Beteiligtheit unterschiedlicher Sinne und intellektueller Vermögen an dem, was getan wird, finde ich interessant, wie weit spielt zum Beispiel für eine Komponistin das, was sie sieht, eine Rolle, oder das, was sie mit anderen Sinnen wahrnimmt, taktil oder atmosphärisch oder so, zum Beispiel sie kommt in einen Raum, wenn Raum unser Thema ist, wo eine Person lebt oder so, und sie möchte etwas über diese Person wissen und quasi erschließt über die Raumerfahrung, die sie selber hat, etwas, das sie nicht zu benennen wüsste, was sie aber umzusetzen vermag in Klänge, oder Tonfolgen oder Rhythmen oder so, das finde ich auch sehr spannend, also was ist quasi das Anregungspotenzial und wie wird das transformiert in eine Ausdrucksebene, wie weit ist das, was ich auf der Haut fühle, in dem Produkt, das ich dann gestalte, mit enthalten. Vielleicht kann man auf solche Fragen auch nie eine Antwort finden oder erhalten, aber ich finde sie reizvoll. Etwas wirkt auf mich, macht einen Eindruck auf mich, etwas in mir passiert in so einer Art black-box und ich finde eine Form des künstlerischen Ausdrucks dessen, und das mag sprachlich sein oder malerisch, also da gibt es verschiedene Formen, in dem Fall ist es bezogen auf die bei uns vorhanden künstlerischen Vorgangsweisen [W.B.: Ja.]

W.B.: Also mein Interesse insgesamt an dieser Geschichte ist ja das, dass ich sozusagen im Mittelpunkt meine Überlegungen hab, wie kommt man von der Metaebene zu einem Ort, der sich mitten in dem befindet, was einen interessiert. Wenn man sich die Frage stellt, also bei uns wird das dann meist an der Fakultät als Problemorientiertheit verstanden, dass du vor Ort dich an den Problemen von irgendwelchen Betroffenen orientierst. Ich möchte sozusagen einen philosophischen Sinn, ein Beschreiben dieses Ortes inmitten erhalten, und dieser Ort inmitten ist im Grunde ein Prozess der Teilhabe an Welt, oder der Teilhabe an Erfahrung, der sich irgendwie unterscheidet von dem, was wissenschaftlich ist, aber doch große Ähnlichkeiten mit anderen Weltverhältnissen hat, da wäre meine Frage eben, die ich an die Künste stellen will, unterschiedliche Aspekte dieses Weltverhältnisses der Teilhabe sich anzuschauen und Parallelen oder Unterschiede festzustellen und sich zu fragen, was das für Implikationen für mein eigenes Tun und mein eigenes Denken hat Der Hintergrund davon ist, dass mein jetziges sozusagen eigenes, abgesehen von vielen anderen Projekten, Forschungsprojekt darin besteht, die Frage zu stellen, was man tut, wenn man sich selber als Philosophin oder Philosoph bezeichnet, also diese Frage nach dem Tun, und diese Frage habe ich für mich selber in unterschiedliche Unterfragen aufgeteilt, die erste Frage ist natürlich die nach dem Anfangen. Wie fange ich an? Wie habe ich überhaupt angefangen? Wie werde ich angefangen? Wie komme ich in so einen Anfang hinein? Diese Frage nach dem Anfangen, ich kann nur ein paar Fragen rausgreifen, aus den Fragen die mich interessieren. Eine Frage zum Beispiel, wie bestimme ich meine eigene Tätigkeit aus sich heraus schon als eine gemeinsame mit anderen oder eben als eine total individuelle, also zum Beispiel wenn ich einen Prozessbegriff dafür finden müsste würde ich das als Prozess des Vergemeinschaftens bezeichnen. Das ist immer schon im Kontext anderer, wenn eine Mitteilung oder eine Mitteilhabe mit anderen eben stattfindet, dass ich zum Beispiel anfange,  also dass das Anfangen eben für mich nichts ist, was sich so in der Wegwendung von der Welt vollzieht, sondern irgendwie in einer bestimmten Form mittendrinnen zu sein, wobei für mich dann eine interessante Frage wäre, inwiefern so eine Art von Abwendung und so eine Art von Solipsismus, also zum Beispiel die Form, die uns beim Joseph oft ein bisschen auf die Nerven geht,eine Voraussetzung für eine bestimmte Form von künstlerischer Produktivität ist. Ob es zum Beispiel künstlerische Tätigkeiten gibt, die ihre Sprache oder ihr Motiv in einem gewissen Sinn so schützen müssen, dass sie eigentlich asozial, dass sie per se schon überhaupt nicht irgendwie daran denken, die anderen einzubeziehen, da gibt es eben auch ziemlich viele Parallelen zu bestimmten Arten der Philosophie, wenn ich mir denke, wie Heidegger über Sprache spricht, unsere Sprache hat überhaupt nichts zu tun mit Teilhabe oder mit Mitteilung, Sprache ist per se etwas, das Wahrheit ist, er wird gesprochen und die Sprache selber spricht, die Sprache ist keine Form von Kommunikationsverhältnis.

Das wäre auch  eine Frage, die mich zum Beispiel als Tätigkeit interessieren würde, wie unterschiedlich Wissenschaft oder Philosophie und Künste kommunizieren, diese Form der Kommunikation ist die Form des Sich-Mitteilens und die Form auch des Darstellens, wobei ich unter Darstellung etwas verstehe, das schon so ein bisschen in sich gebrochen ist, also das nicht so diese Sendung zwischen Sender und Empfänger ist. Dann würde mich interessieren, was ihr schon angedeutet habt, das Erzählen, also erzählt man über etwas oder erzählt man etwas, wie erzählt man ohne dieses Metaverhältnis, also von oben her irgendeine Geschichte erzählen, wie erzählt zum Beispiel Musik, wie erzählt ein Klang, wie erzählt Literatur, wie erzählt eine bestimmte Form von eventmäßiger Darstellungsform Was mich stark interessiert ist auch das Begründen, wie man etwas begründet, also wo man sozusagen seinen Grund findet, das hat ein bisschen mit dem zu tun, was du gesagt hast, um zu sagen, etwas ist konsistent oder wahrhaftig, also wie finde ich da den Grund meines Tuns oder die Begründungsebene meines Tuns.

Was mich auch sehr stark interessiert ist das Ordnen, also wie ordnet eine bestimmte Kunstform etwas, wie ordnet eine Kunstform Welt, wie ordnet man selbst in der künstlerischen Produktivität, was auch sehr stark zu tun hat mit diesem Verhältnis zum Empirischen, was du auch schon angesprochen hast, jemand geht in einen Raum und der Raum ist jetzt sozusagen Empirie für Komposition, oder jemand ist in einem Raum und der Raum versorgt die Literatur mit Weltgehalt, also das ist das, was mich sehr stark interessiert. Und dann ganz banale Tätigkeiten, wie zum Beispiel Lesen, also wie liest man als Wissenschaftler, wie liest man als Künstlerin und Künstler, wobei lesen jetzt nicht nur meint Literatur lesen oder Bücher lesen, sondern eigentlich Zeichen lesen, genauso das Sprechen und das Schreiben, das wären so diese Haupttätigkeiten, die mich im Vergleich und im Widerspruch und in der Differenz und in der Ähnlichkeit und in den Schwierigkeiten interessieren würden, wobei man diese Formen natürlich noch stärker unterdifferenzieren kann, also Schreiben zum Beispiel hat sehr stark mit Zitieren zu tun, also wie gehen wir als Wissenschaftler mit Zitaten um, wie gehen wir als Wissenschaftler mit den Autoritäten um, auf die ich mich immer berufe, um mich selber in diese Autorität reinzusetzen oder kritisch zu distanzieren, oder wie zitiert dann letztlich Musik oder wie zitiert Literatur. Mein Ziel wäre zunächst eine Liste zu erstellen von den Tätigkeiten, die ich jetzt genannt habe und im zweiten Schritt die beteiligten Künstler und Künstlerinnen einfach zu fragen, also wie fängst du an, erzählst du, wie ordnest du, im zweiten Schritt zu sehen, welche Unterschiede und Ähnlichkeiten es gibt und welche Probleme mit alldem verbunden sind. Das wäre so ungefähr meine Motivlage, was mich da sehr stark interessieren würde, und wie gesagt ich könnte mir schon so eine Art Methode dieses Wissenwollens vorstellen, ich will nicht einfach so drauf los diskutieren, sondern was mich interessieren würde, wäre, ob man zentrale Begriffe, die genug Anziehungskraft haben, um genug Probleme zu entfalten, finden könnte, und zunächst einmal die Leute, die bei uns in der Gruppe sind, zu befragen in Bezug auf diese Begriffe, also Begriffe meine ich jetzt so, dass der Begriff dann sozusagen ein Versammlungsort von diesen Problemen ist, ein klassisches Beispiel ist eben das Anfangen, oder eben das Erzählen, also wie erzähle ich, wie erzählt jemand, der komponiert, oder will zum Beispiel jemand, der komponiert, überhaupt erzählen, oder was erzählen. Ich glaube, dass man – das wäre die Methode von mir, die ich da gerne anwenden würde –  Gespräche und Interviews führen sollte, um einmal diese Motive weiter aufzudifferenzieren und aufzudröseln und das vielleicht auch einmal darzustellen in der Gruppe, dass man darüber weiterreden kann. Das wäre so mein Zugang zu dem, was ich gerne wissen würde.

E.M.: Darf ich da eine Nachfrage stellen auf der Ebene des Beginns hast du gesprochen über den Prozess der Teilhabe an Welt und dieses Mittendrinsein und welche Unterschiede und Parallelen es da geben mag, kannst du das beispielhaft erläutern, was Weltverhältnis der Teilhabe heißen kann, angenommen jetzt an Joseph und Katharina und Ursula.

W.B.[unterbricht]: Ich meine, dass der Joseph als Person, bis zur Kommunikationsunfähigkeit hinein, sehr stark von seiner Herkunft bestimmt ist, also insofern sozusagen total inmitten von irgendwas steht, wenn er über das  Begräbnis seiner Mutter spricht und mit seiner Literatur sozusagen da versucht eine Distanz herzustellen aber das gleichzeitig darzustellen und vielleicht deswegen auch so merkwürdig solipsistisch ist, das wäre seine Form von Teilhabe und die Methode der Teilhabe. Da gibt es natürlich verschiedene Methoden, also zum Beispiel in der Literatur ist oft die Methode der Teilhabe das Notizbuch, dass ich irgendwo sitze und Beobachter bin und mir aufschreibe, was ich empfinde, als Methode. Jetzt haben wir in der Wissenschaft auch quasi ein Notizbuch, wir haben zum Beispiel ethnographische Forschungen gemacht, ich laufe oft mit einem Notizbuch herum und dann fällt mir beim Spazierengehen etwas ein und das schreibe ich mir auch auf, nur ist das von ganz anderem Gehalt, was mir da eben einfällt, also das ist eine Ebene des Vergleichens, das was du vorher finde ich total schön auf den Punkt gebracht hast, wenn die Katharina in einen Raum kommt und jetzt diese Raumerfahrung transponiert in Töne, dann ist das für mich eine Form der Teilhabe an diesem Raum, also eine Methode, das irgendwie noch einmal darzustellen. Bei der Ursula wollte ich sagen, dass sie das angedeutet hat, dass das ein mögliches Projekt für sie wäre, da stellt sich natürlich sehr stark die Frage, muss man da jedes Mal erklären oder möglicherweise von dem Gedanken wieder wegkommen, die Ursula hat einen Vater, mit dem sie eine total problematische Geschichte hat und der Vater ist jetzt stumm in einem Pflegeheim und die Ursula hatte kurz, oder ich weiß nicht ob sie das noch immer haben, mit der Katharina das Projekt gehabt, diesen Stummen zu porträtieren, also wie du zum Beispiel einen Stummen, der dich derartig emotional anspricht, gewissermaßen interviewst [E.M.(unterbricht):zum Sprechen bringst, klanglich.], quasi zum Sprechen bringst ohne, dass der was sagt, vollkommen klanglich zum Sprechen bringst, oder bildlich, also sagen kann der nichts mehr, weil der hatte einen Schlaganfall und konnte praktisch nicht mehr reden, also wie kannst du einen Stummen sozusagen zum Sprechen bringen. Ich glaube, dass diese Dinge sich aufschließen, wenn man so bestimmte Tätigkeiten bezeichnet und sie befragt im Hinblick auf diese Tätigkeiten.

E.M.: Mhm, wenn ich noch eine Frage dazu stellen darf, du hast jetzt vieles in der Form von Ich gesagt, bezogen auf dein Projektvorhaben, das du anderweitig hast, kannst du dir zum Beispiel vorstellen, dass man gemeinsam so einen Fundus von Themen, Fragen, Begriffen hat und beispielsweise solche Gespräche dann macht undaus einem projektgemeinsamen Erkenntnisinteresse raus und mit spezifischen Aspekten, die möglicherweise speziell für dich wichtig sind und spezifischen, die für jemanden von uns wichtig sind,  weil dass jeder von uns seine eigenen Fragen die anderen fragen geht, ist als Prozess vielleicht nicht so, weiß ich nicht, ist auch möglich, aber es hat sehr stark danach geklungen…

W.B.[unterbricht]: Ich will das nicht sozusagen auf dieses Ich beziehen, ich erwarte mir nur von so Themen wie dem Erzählen, da erwarte ich mir viele Aufschlüsse über Unterschiede und Ähnlichkeiten, also quasi Rollen der Konstellationen, in der jeweils eine bestimmte Kunst oder eine bestimmte Form von Theorie zur Welt eben steht und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Eröffnungen, da sind ja auch viele Öffnungen dabei, oder, was Katharina angesprochen hat, das Verstehen, also kann man ihre Musik verstehen, oder ist die überhaupt aufs Verstehen angelegt [E.M. unterbricht: Ja das ist eine komplexe Frage]. Ich behaupte immer meinen Doktoratsstudierenden gegenüber, dass das, was ich mache nur ein kommunikativer Akt ist, dass sie sich bei ihrer Dissertation immer denken sollen, dass sich das an irgendjemanden richtet, und jetzt sehe ich aber irgendwie, dass bei bestimmten künstlerischen Produktionsformen das geradezu tödlich wäre, das als kommunikativen Akt zu begreifen. Kann man eine Komposition als kommunikativen Akt begreifen, also richtet sie sich an irgendwas und will bei irgendwem was bewirken oder so, oder ist das, wenn man das so definiert, eigentlich der Tod jeder Komposition. Dann denke ich mir, bestimmte Literaturformen sind alles andere als ein kommunikativer Akt, also was heute der Joseph in seiner Suada gesagt hat, dem geht es nicht um Kommunikation, der will gar nicht, dass er den Leuten sich gemein macht, unter Anführungszeichen, und mit denen kommuniziert, sondern der will sprechen, aber in einer irrsinnig sozusagen aus sich heraus ihre Kriterien, nämlich Stilkriterien entwickelnden Sprache. Man müsste dann die zentralen Worte dafür finden, um solche Verhältnisse, Unterschiede, Ähnlichkeiten und Probleme eben darzustellen, ich glaube eben, dass das möglicherweise für das Projekt sehr fruchtbar wäre, über so etwas zu reden.

U.B.: Wo ich mich gut wiederfinde bei dem, was ihr beide angesprochen habt, vor allem du Elfie, oder was eigentlich immer schon Thema war, ist diese Prozessorientierung, ich finde einfach interessant, dem nachzugehen, wie eigentlich künstlerische Schaffensprozesse laufen und Prozesse haben ja so unterschiedliche Phasen, ihr habt jetzt öfter schon angesprochen die Anfangsphase, aber es gibt in so Schaffensprozessen auch immer so Wegkreuzungen oder Schnitte oder Umbrüche, also Momente, wo etwas sich ändert, das wär ein interessanter Fokus auch für mich. Und dann natürlich die Frage, wann ist was fertig, also ich fände es ganz interessant, wenn man die Schaffensprozesse, wie sie im Projekt laufen mit den Phasen, die sich automatisch in den Schaffensprozessen ergeben, jeweils zum Ausgangspunkt nimmt für eine erforschende Befragung auf einer übergeordneten Ebene noch, ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen, dass wir das so takten zeitlich, aber ich könnte mir schon vorstellen, wenn wir so eine Dimension von drei Jahren haben und die Projekte so ungefähr zwei Jahre laufen oder zweieinhalb, dass wir da möglicherweise schon so entscheidende Stationen herausfiltern und thematisieren können, das ist der eine Aspekt, der mich eben auch interessiert.

Dann gibt es noch ein spezielles Interesse von mir, das hängt mit der Frage der Medien zusammen, in denen gearbeitet wird, da passt eigentlich das dazu, was du angesprochen hast, wenn ich als Musikerin in einen Raum gehe, was spüre oder was sehe, dann beeinflusst das natürlich auch mein musikalisches Denken. Mich beschäftigt schon lange die Frage, inwiefern künstlerisches Denken natürlich einerseits durchaus mediengeprägt ist, in denen das Denken stattfindet, aber gleichzeitig durch ganz viele andere mediale Erfahrungen, da gibt es auch Beispiele, wo man zeigen kann, dass bei der Entwicklung von Kompositionen bildliches Denken sehr wichtig ist, aber vielleicht auch körperliches Denken, ich weiß nicht was, also diese Frage der Mediengebundenheit des Arbeitens, Denkens und Erfahrens, das interessiert mich speziell. Und in dem Zusammenhang interessiert mich aber dann auch, weil ich davon ausgehe, dass eben grundsätzlich jede Art von Erfahrung, Denken, Erkennen, sei es wissenschaftliches oder künstlerisches Erkennen, medial geprägt ist, was passiert eigentlich an diesen Übergängen zwischen den Medien, wenn eine körperliche Erfahrung in einen Klang umgesetzt wird, also für mich ist da das Stichwort, das mich jetzt schon länger begleitet, das Stichwort der Transformation, Transformationen zwischen den medial geprägten Erfahrungen und Denkweisen. Das führt mich zu einem dritten Aspekt, ob man das überhaupt so sagen soll, weiß ich nicht, viele Künstler beschäftigen sich mit wissenschaftlichen Theorien, lesen viel, und die Frage wie werden wissenschaftliche Erkenntnisse in ästhetische transformiert, das wäre für mich ein weiterer Aspekt von Transformation auf einer anderen Ebene. Wie gehen Künstler mit wissenschaftlichen Erkenntnissen um, und vielleicht kann ich da auch als Wissenschaftlerin wieder was lernen denk ich mir, weil so eine gewisse Lockerheit und Subjektivität im Umgang kann ja auch wieder neue Weichen stellen.

Was mich da daran noch interessiert , im Zusammenhang mit dieser Frage der Medien und der Transformation zwischen den Medien ist eine Frage, die mich immer beschäftigt, welche Rolle spielt die Sprache, die Verbalsprache, also quasi die reflektierende Verbalsprache, oder ein Teilaspekt ist auch welche Sprache spiegeln Verschriftlichungen, Notationen, Skizzen, welche Formen von Festhalten in einem anderen Medium gibt es auch, also mal zu sehen wie so ein Skizzenbuch, oder ein Gedankenbuch oder ein Notationsbuch von anderen ausschaut, einfach um das als Material auch zu haben. Und da kommen wir jetzt gleich zu der Frage, also ich kann mir sehr gut vorstellen diese Fragesituation, ich fände es übrigens total spannend, mal mit dir in so einem tatsächlichen Interview auch implizite Botschaften hinzuzusuchen, das wäre für mich wirklich reizvoll, das mal zu sehen, wie man das machen kann, aber abgesehen davon, fände ich es wichtig, dass wir eben nicht nur mit der Sprache arbeiten und wenn wir uns gemeinsam treffen immer über die Verbalsprache kommunizieren, sondern mir scheint es wichtig, dass wir mit anderen Materialien auch arbeiten, seien es diese Dokumentationen des Arbeitsprozesses, wie immer die ausschauen, mit Zwischenergebnissen der Arbeit, das heißt, dass wir zum Teil uns irgendwo mal ein Klangbeispiel anhören und ohne mal zu fragen wie bist du dazu gekommen und so weiter und so fort, auch mal darauf reagieren, also mich interessiert auch immer dieser Wechsel zwischen den verschiedenen medial geprägten Denk- und Erkennensweisen, weil ich glaube, dass dieser Wechsel, der Brüche in sich einschließt, dass der unglaublich produktiv ist, dort passiert ganz viel an Kreativität, das kann man ja in der Wissenschaft beobachten, das kann man aber glaube ich auch in der Kunst beobachten und dort wo Kunst und Wissenschaft eben zusammenkommen kann ich mir vorstellen, dass diese Brüche interessant sind. Ich glaube schon, dass es einerseits Fragen, übergeordnete Themen als Ausgangspunkt, Prozessdokumente, Zwischenergebnisse sein könnten. Was mich interessieren würde, das sind so Rückkopplungsschleifen, die vielleicht auch wieder dazu führen, das wäre der Idealfall, durch das, was wir verbal darüber reflektieren, dass eine neue Idee daraus entsteht künstlerisch, also dass sozusagen die künstlerisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit sich so auch ergeben könnte, nicht nur dass die Wissenschaftler die Metaebene bereitstellen der gemeinsamen Reflexion, sondern dass diese Metaebene ja auch immer eine Intervention ist und die Intervention auch den künstlerischen Arbeitsprozess wieder irgendwie verändern kann, so wie wir uns auch verändern lassen durch das, was uns in den künstlerischen Produkten begegnet, das fände ich ein interessantes Modell, ob es geht weiß ich nicht.

E.M.: Was ich spannend finde, was bislang nicht bedacht oder beredet wurde, auf der Ebene wirklich mit Rohstoffen zu arbeiten, also quasi Rohstoffe zu sehen aus künstlerischen Produktionsprozessen. Voraussetzung ist natürlich, dass Künstler das in dem Sinn auch wollen, dass man in ihre Notizbücher reinguckt und vielleicht auch noch dazu eine Idee formuliert oder sagt, mir fällt dabei was auf oder so, aber das fände ich eigentlich sehr spannend, weil das diese Kooperation auch im Tun initiiert, also so wie du das nanntest als Intervention quasi, dass wir da mit einem anderen Blick darauf schauen. In der Wissenschaft gibt es mehr oder weniger entspannt arbeitende Leute, die bereit sind, ihre halbfertigen Texte oder Notizen jemand anderem zu zeigen, das ist eine heikle Grenzüberschreitung von Intimität, aber dafür Formen zu finden, wie man das tun kann, legt man jetzt ein Notizbuch offen auf, oder hat man beispielsweise so einen open space, der nur uns zugänglich ist, in dem irgendwelche Rohstoffe sichtbar werden oder so, das fände ich reizvoll, das ist spannend.

Workshoptranskript vom 22.2.2011