Login
contact
imprint

berger / klement: unbedingt wissen

„… Es gibt ja diese schöne Geschichte im Symposium von Platon, wo die Philosophie mit dem Eros gleichgesetzt wird, und der Eros ist einer, der mit aller Kraft begehrt, aber niemals wirklich befriedigt wird, und da sagt Platon, das ist auch die Philosophie, er sagt die Philosophie ist nicht so eine betuliche Liebe zur Weisheit, sondern Liebe im Sinn, wie eben der Eros liebt, etwas unbedingt wissen wollen, und es im Endeffekt doch nicht vollständig wissen zu können …“


Wilhelm Berger, interviewt am 24.08.12 von Katharina Klement, Dauer 1:01 Stunden

K.K.: Ok, ich bin froh, dich als Interviewpartner zu haben, und ja, vielleicht fange ich einmal irgendwie tatsächlich einmal mit der ersten Frage an, und erlaube mir dann zu springen, oder im Gespräch entwickelt sich ja einiges, gut, also die erste Frage wäre, wie beginnst du mit einer neuen Arbeit, oder gibt es da, ist das jedes Mal anders, oder gibt es da so irgendetwas, das sich wiederholt?

W.B.: Naja, das hängt von dem Projekt ab, in dem ich tätig bin, wenn ich so eine Arbeit schreibe, oder einen Text schreibe, über das Gehen, das dieses eine Projekt eben betrifft, dann beginne ich eben einfach damit, dass ich versuche, diese Gegend, über die ich schreiben will, möglichst genau zu erforschen, also das ist irgendwie so ein handwerklicher Beginn, weil das ergibt sich ja irgendwie, bei Forschungsprojekten jetzt im wissenschaftlichen Sinne ist es ja eigentlich auch relativ handwerklich inzwischen schon, weil man die Erwartungen der Auftraggeber und Geldgeber irgendwie kennt, also zum Beispiel, ich habe viel gearbeitet im Bereich der humanen Gentechnologie, der Auswirkungen von gentechnologischen Entwicklungen auf die Humanmedizin, da ist es auch relativ klar, was die Leute wissen wollen, und dann macht man das so mehr oder weniger handwerklich, schwieriger ist es, glaube ich, wenn man mit einem Text beginnt, der einen wirklich interessiert, wenn man ein Buch schreibt oder so, dann ist der Beginn ganz was Anderes, das ist schwierig für mich, wo beginnen vor allem, weil ich meistens viele ziemlich viele Aspekte zu betrachten versuche, und das ist nicht so, dass ich einfach sage, ich beginne mit dem beginning, ich fange mit dem Vorwort an, und ende mit dem Nachwort oder so, sondern ich weiß oft nicht wirklich, wo man jetzt beginnen soll, und dann weiche ich dem aus, und dann lese ich Bücher, dann mache ich mir Notizen, und irgendwann einmal gibt es dann so einen Einstiegspunkt, das ist aber meistens so ein bisschen intuitiv, würde ich sagen, so ein bisschen mystisch, dass einem das dann plötzlich einfallt.

K.K.: Das ist ja immer wieder so ein Thema auch in den Künsten, also wie fangt man sowieso mit einer Arbeit an, aber jetzt auch, weil du das angesprochen hast, es gibt dann irgendwo einen Auftrag für eine bestimmte Arbeit, und dann weißt du schon ungefähr wie die ticken, oder was die wollen, aber gibt es bei dir wahrscheinlich auch manchmal Aufträge, die jetzt sozusagen fremdbestimmt sind, oder wo es halt etwas gibt, aber, wenn du das jetzt angesprochen hast, aber spannend wird es dann, wenn das dann wirklich etwas ist, das dich interessiert [W.B.: Ja.], kannst du da dazwischen wählen in deiner Arbeit, oder manchmal wirklich sagen, so, das ist jetzt das Thema, das mich interessiert, oder musst du die irgendwie immer versuchen einzupacken, diese Themen, in etwas, das per se eigentlich fremdbestimmt ist.

W.B.: Naja, ich bin da in einem gewissen Sinn relativ privilegiert, weil die Sachen, die mich wirklich interessieren, die mache ich eigentlich völlig selbstbestimmt, aber der große Rest ist eben der Job, und der Job besteht hauptsächlich weniger aus befehlsartigen Abhängigkeiten, sondern aus Verpflichtungen, und wenn es da irgendwo Chancen gibt, also für Leute, die ich schätze zum Beispiel, im Förderbereich, im Bereich dieser Wissenschaftsförderung, dann versuche ich da an Projektgelder zu kommen, und wenn ich  eben hierarchisch ein bisschen höher stehe, habe ich größere Chancen, als zum Beispiel irgendjemand Junger, der gut ist, also versuche ich das irgendwie zu kriegen, und dann so ein Projekt zu initiieren, und dann hänge ich halt meistens in einem Thema drinnen, dass jetzt per se mich nicht so interessiert hat, aber wo ich halt irgendwie auch aufgrund von persönlichen Verpflichtungen, aufgrund dessen, dass ich glaube, dass das zu meinem Job gehört, dass ich auch junge Leute mit Projektgeldern ausstatten kann, dass ich dann in Themen drinnen bin, die mich zwar interessieren, die ich, wenn ich nicht müsste, nicht machen würde, wenn ich sozusagen adeliger, hochverschuldeter Graf wäre, würde ich das nicht tun oder so, aber so tu ich es halt, ich weiß nicht, das ist vielleicht schwer vorstellbar, wenn man so in diesen Institutionen drinnen ist, man ist in einem echten Netz von Geben und Nehmen drinnen, und das muss man irgendwie erfüllen, da muss man dann sozusagen irgendwelche Themen bedienen, wenn das erwartet wird, oder so, und das macht bei mir schon einen Teil der täglichen Arbeit aus.

K.K.: Ja, wie würdest du dich definieren, jetzt von außen, oder wenn dich jemand fragt, du bist was als Beruf, weil du ja doch ein bisschen so an der Schnittstelle stehst?

W.B.: Ja, ich würde sagen, ich bin Wissenschaftler unter modernen Bedingungen, also nicht so, wie es die klassischen Geschichten an den Unis waren, dass da irgendjemand eine Professur gekriegt hat, und dann sein restliches Leben vor sich hin gearbeitet hat, sondern unter Bedingungen, wie das eben heute ist, dass das eine Institution ist, die unheimlich viele Drittmittel herbeischaffen muss, dass da sehr viele Abhängigkeiten sind, dass das Angestellte sind, die rausgeworfen werden, wenn es das Geld nicht gibt, und so weiter, und nachdem ich mich da immer relativ verantwortlich gefühlt habe, und auch gleichzeitig eigentlich dankbar, dass ich anderseits einen sehr großen Freiraum habe, habe ich mich auch in der Leitung engagiert, das müsste ich eigentlich nicht machen, ich bin halt Prodekan dieser Fakultät, und dadurch muss ich sehr viel solche Dinge machen, also sowohl managementmäßig, als auch mit einem Teil meiner Arbeit die Institution auch inhaltlich nach außen vertreten, ich beklage mich nicht darüber, es gehört halt einfach zu dem Beruf dazu, andererseits habe ich auch Freiheit, die es in anderen Berufen nicht gibt, also irgendwie bin ich dankbar dafür.

K.K.: Gut, ich bleibe da jetzt bei diesem ersten Themenkomplex, also so quasi wie ich die erste Frage gestellt habe, wie fängst du deine Arbeit an, wie, da steht als Frage, welche Rolle spielt die Geschichte deines eigenen Lebens in deiner Arbeit?

W.B.: Ja das ist sicher ein großer Unterschied zu den Künstlerinnen und Künstlern, dass im wissenschaftlichen Bereich das hauptsächlich außen vor bleiben soll, aber ich würde sagen, das hängt wirklich, also es spielt eine total große Rolle in dem, was mich dann wirklich interessiert, oder was meine Perspektive auf diesen Bereich ausmacht, aber sozusagen in einem wissenschaftlichen Text soll ja definitionsgemäß quasi dieses Ich nicht einfließen, beziehungsweise das Ich quasi raus komplementiert worden sein, insofern wird man kaum jemandem finden, der sagt, seine Lebensgeschichte spielt eine große Rolle, vielleicht die Lebensgeschichten dann anderer, dass man über diesen Umweg, dass man sozusagen andere Lebensgeschichten als Geschehnisse nimmt, die dann irgendwie auch eine Rolle spielen im eigenen Text, dass man über diesen Umweg sich selber reinbringt, aber ich glaube, dass das natürlich eine völlige Illusion ist, und dass in der Arbeit viel Subjektives drinnen ist, es tritt nur in einem quasi objektiven Gewande auf, oder es wird sozusagen weg abstrahiert, also ich kann nur sagen, dass was mich interessiert, das sind so diese drei Bereiche, also die Philosophie als Geistesgeschichte, und dann dieses Gehen, und dann dieser Zwischenbereich zwischen Kunst und Wissenschaft, das hat einfach total subjektive Komponenten, dass mich das interessiert, und es hat insofern auch subjektive Komponenten, es mich interessiert eben, dass man das gemeinsam mit anderen macht, weil ich finde das unheimlich fruchtbar, mit Leuten, die ganz anders sind als ich selber, Gespräche führen zu können, und etwas erfahren zu können, also ich kann zum Beispiel sagen, dass ich in unserem Projekt extrem viel gelernt habe, von Dingen, die für mich völlig unerwartet gewesen sind, und die mich weitergebracht haben, und das hat natürlich eine subjektive Komponente, weil wieso interessiert mich das, weil wenn man nur ein soziologisches Interview führen würde, dann würde es mich ja persönlich nicht wirklich interessieren, aber das interessiert mich, also wie ihr arbeitet, wie ihr das macht, und vielleicht zeigt sich diese persönliche Komponente dann in einem gewissen Glücksgefühl, dass man zum Beispiel etwas erkennt, was man in sich selber empfindet, oder so.

K.K.: Ja, eh, ich könnte jetzt viel dazu sagen, kommentieren, ich glaube auch, dass also dieses eigene Leben ja sowieso reinspielt, oder gerade soweit ich jetzt deine Texte kenne, aber …

W.B.: Aber Lebensgeschichte in dem Sinn, das ist halt auch ein spezifisches Ding, sicher zum Beispiel in der Arbeit von euch, mit den beiden Vätern, spielt die Lebensgeschichte, das heißt, die Geschichte, die ihr mit denen hattet, eine zentrale Rolle.

K.K.: Ja, aber was es, sagen wir sonst in meiner Musik, in meiner künstlerischen Arbeit ja nicht hat, also da lasse ich das Ich auch außen vor, es ist jetzt nicht meine primäre Absicht, aber ich will da gar nicht meinen Senf so dazugeben, ja. Was tust du, wenn du den Eindruck hast, du kommst nicht weiter?

W.B.: Wenn ich den Eindruck habe, ich komme nicht weiter, dann fange ich an zu basteln, das war für mich ein wichtiger Schritt, das zu lernen, weil ich wollte früher, wenn ich an einer Stelle nicht weitergekommen bin, einfach an dieser Stelle weitermachen, wie ich meine Dissertation geschrieben habe, da hat es ja noch keine Computer gegeben, da habe ich das alles geklebt, also jeden Absatz, und Sätze überklebt, und so weiter, eher so ein grafisches Bild vom Schreiben, und das mochte ich gern so grafisch, und ich habe es mit der Füllfeder geschrieben, und dann habe ich es ausgeschnitten, nein, dann bin ich übergegangen auf Bleistift, damit ich das auch wieder ausradieren kann, und habe immer überklebt, und dann waren manche Seiten total dick, weil ich einfach nicht weitergekommen bin, weil ich eines aufs andere geklebt habe, davon hat mich dann mehr oder minder der Computer befreit, also ich bin da irgendwie dankbar, dass es das gibt, und wenn ich nicht weiterkomme an einer Stelle, dann gehe ich einfach zur nächsten, zu irgendeiner, ich habe eher so eine Arbeitstechnik, das ist sehr flach, an diesem Buch, an dem ich jetzt arbeite, das hat ja quasi schon 18 Kapitel, da gibt es von jedem Kapitel schon einen Teil, es gibt von jedem Kapitel Abläufe und so weiter, manche sind fast schon fertig, und wenn ich beim Kapitel 5 nicht weiterkomme, dann gehe ich halt zum Kapitel 8, das ist meine Methode, das zu machen, wenn ich nicht weiterkomme, oder eine rauchen [lacht].

K.K.: Nur leider habe ich jetzt noch immer keine, ich stelle jetzt einfach so die Fragen, die der Reihe nach, oder die mir so ins Auge springen, gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Lieben und Arbeiten?

W.B.: Ja, also in meiner Tätigkeit würde ich sagen extrem, es ist eben die Frage, wie man das auch definiert, es gibt ja diese schöne Geschichte im Symposium von Platon, wo die Philosophie mit dem Eros gleichgesetzt wird, und der Eros ist ja ein Halbgott, ein Dämon, eigentlich ein in sich gespaltener Gott, der ist der Sohn der Armut und des Reichtums, also die Penia, die Armut, ist die Mutter, und der Reichtum, der Poros, ist der Vater, und daher ist der einer, der mit aller Kraft begehrt, aber niemals wirklich befriedigt wird, und da sagt Platon, das ist auch die Philosophie, er sagt die Philosophie ist nicht so eine betuliche Liebe zur Weisheit, sondern Liebe im Sinn, wie eben der Eros liebt, etwas unbedingt wissen wollen, und es im Endeffekt doch nicht vollständig wissen zu können, das ist für ihn dann die Liebe der Wahrheit, oder was noch zutreffender ist, das ist die Schaulust, also dass man etwas gern schauen möchte, es nicht wirklich zu fassen kriegt, und insofern würde ich sagen, dass Arbeiten und Lieben in meiner Tätigkeit viel miteinander zu tun haben, weil ich habe schon einen gewissen Extremismus, ich möchte einfach manche Sachen wirklich schön machen, oder ich möchte etwas wissen, und im Endeffekt merke ich dann, es ist halt genauso wie es dem Eros geht, die Erfüllung ist nicht erreicht.

K.K.: Ja, aber dadurch bleibt er ja auch genährt, dann vielleicht eh im Anschluss daran: empfindest du deine Arbeit eher als ein Tun, das aus Freiheit entsteht, oder als eines, das eher aus innerer Notwendigkeit, Zwang entsteht?

W.B.: Also ich glaube auf der Ebene, die ich vorher genannt habe, das ist vielleicht nicht so interessant, aber wenn man etwas schreibt, da habe ich das Gefühl, das hat diese beiden Seiten, und das ist für mich ein interessantes Problem, also zum Beispiel ich schreibe einen Text, und dann habe ich ein bestimmtes Konzept, und denke mir so, das werde ich jetzt praktisch abarbeiten, und ich komme aber sofort auf irgendwelche anderen Richtungen, das heißt im Endeffekt schaut dann der Text nie so aus, wie vorher das Konzept ausgeschaut hat, und das in eine andere Richtung kommen, das hat für mich sehr stark zu tun mit der Sprache, also dass die Sprache eine Notwendigkeit entfaltet, also dass mir irgendwie vorkommt, auf den Satz muss jetzt der Satz kommen, und der eine Satz fordert den nächsten Satz, und das ist fast so eine Notwendigkeit, also da würde es mich interessieren, wie es einer Komponistin geht, dass du das Gefühl hast, auf den Satz würde es jetzt nicht passen, in diese Richtung zu gehen, sondern auf den Satz geht es in die Richtung, und dass dann die Sprache, die du selber schreibst, ein eigenes Gewicht bekommt, so eine Art Notwendigkeit, so eine innere Logik, wo ich dann irgendwie kapiere, was der Heidegger gemeint hat, wenn er gesagt hat, die Sprache spricht, also nicht du sprichst, sondern es beginnt die Sprache, mit dir zu arbeiten und zu sprechen, manchmal kommt man ja in ganz üble Abwege, und kommt nicht mehr weiter, und manchmal verlässt man sein Konzept, und kommt zu einem ganz anderen Resultat am Ende, weil es da so eine merkwürdige, innere Notwendigkeit gibt, die einen weitertreibt, die aber nicht der Inhalt ist, also nicht dieses vorgefasste Konzept, sondern dieses Schreiben kriegt dann eine eigene Dynamik.

K.K.: Ja, kenne ich gut, oder in unterschiedlichen Ausprägungen, ich kann das manchmal schon ganz gut so wirklich bei einer, zwingend bei einer Struktur bleiben, aber es ist ein unglaublicher Kampf manchmal bei mir.

W.B.: Aber du willst zwingend bei der Struktur bleiben?

K.K.: Manchmal, also der Teil der Komponistin ist dann eher so auf einer Struktur bleiben, und ich kenne das eher dann zum Beispiel beim Improvisieren, beim freier spielen, wo das dann ganz woanders hingeht, wo man merkt, ja, vergiss es, was du dir gedacht hast, oder dass eben diese Notwendigkeit, auf den Klang kann ja eigentlich nur das folgen, oder irgendetwas anderes.

W.B.: Ja, oder du kommst zu einem bestimmten Begriff, also so geht es mir öfter, da kommt ein bestimmter Begriff, und jetzt denkst du, den musst du jetzt aber  genauer erklären, der ist zu kompliziert, und dann kommst du bei der Erklärung plötzlich auf Zusammenhänge drauf, die du vorher nicht wirklich präsent gehabt hast, oder du schaust nach, hängt das jetzt mit dem Heidegger, mit dem Hegel, oder irgendjemandem zusammen, und plötzlich entsteht aus diesem Begriff eine neue Konstellation, über die du wieder etwas sagen musst, und so kommst du so quasi nicht nur auf der rein sprachlichen Ebene, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene, treibt dich dann so eine bestimmte Notwendigkeit irgendwie weiter in ganz andere Richtungen, als du vorher gedacht hast, und das empfinde ich eigentlich aber als ziemlich glücklich, das ist dann vielleicht so eine Form von Minikreativität, dass du dann etwas eben hast, was du nicht einfach runterspulst, wo du denkst, das hast du schon vorher gehabt, sondern dass deine Begriffe, weil in der Philosophie sind die Begriffe ja so wie die Figuren zum Beispiel in der Literatur, also wenn der Josef Winkler zum Beispiel Figuren hat, also reale Figuren, irgendjemanden, dann treibt ja quasi das Handeln dieser Figuren die Geschichte auch in eine bestimmte Richtung, und so sind Begriffe wie Personen, die das auch in eine bestimmte Richtung treiben anfangen, das empfinde ich aber eigentlich als glücklich, weil dann sagst du, ich bin auf etwas draufgekommen, was ich vorher nicht gedacht hätte.

K.K.: Ja, das sind ja sehr kreative Prozesse, das ist ja gut. Ist deine Arbeit eine einsame Tätigkeit?

W.B.: In einem gewissen Element, also dem, was ich jetzt zuletzt gesagt hab, das geht eigentlich nur, wenn man es allein tut, aber in einem anderen Element, finde ich, dass es total wichtig ist, immer unter vielen zu arbeiten, also mir gefällt das, so diskursive Zusammenhänge, wie wir sie in unserem Projekt haben, ich habe auch einmal mit acht Leuten gemeinsam ein Buch geschrieben, wo wir aber nicht sozusagen das so auseinandergeschnitten hatten, dass jeder einen Teil schreibt,  sondern das war wie in so einer Werkstatt, dass wir das eben fertiggeschrieben haben gemeinsam, und das war für mich eine unheimlich glückliche Erfahrung, weil ich ja denke, gut dieses eine Element, dass man sozusagen im Schreiben, also bei mir die einsame Situation ist ja das Schreiben, das ist für mich aber eben überhaupt nicht negativ, ich habe das total gern, wenn ich einen schönen Ort habe, wo ich das machen kann, das ist für mich ein total glücklicher Moment, das zu tun, und ich habe jetzt auch keine Schreibschwierigkeiten, oder so, ich habe immer schon den Gedanken in mir, wenn ich etwas schreibe, dass das irgendwie an ein Ohr, oder an ein Auge gerichtet ist, und nicht an irgendetwas, weil das ist ja sehr verbreitet in den Wissenschaften, dass man eigentlich nicht für Leute schreibt, sondern sozusagen für irgend so ein Abstraktum, also so wie die frühesten Philosophen schon,  Heraklit, der hat das überhaupt nicht den Leuten gesagt, sondern hat sozusagen seine fertigen Texte auf den Stufen des Tempels der Artemis abgelegt, für die Götter, ja, also der hat gar nicht für die Menschen geschrieben, sondern für die Götter, und so schreiben ja die meisten heute auch in den Wissenschaften ja nicht für die Menschen, sondern für die Wahrheit, oder für die Erkenntnis, oder für eine Neuformulierung der bestimmten Probleme innerhalb der Relativitätstheorie, oder so, und die legen das genauso, wie Heraklit auf den Stufen des Tempels der Wissenschaft ab, und dort wird es dann irgendwie durch irgendwelche sozusagen geheimen Prozesse weiterverarbeitet, oder so, und ich habe halt bei meinen Tätigkeiten, wenn ich schreibe, auch immer das Gefühl, das sollten zumindest andere nachvollziehen können, oder irgendwie reingezogen werden, oder irgendetwas davon haben, deswegen ist dann das Schreiben auch nicht wirklich einsam, sondern das ist doch auch ein Prozess, wo ich darüber nachdenke, an wen richtet sich das, wobei es aber letztlich nicht in dieses Extrem gehen soll, es ist wiederum so eine Schranke, wo ich sage, ich will das genau erklären, ich habe das schon gern, also ich habe es zum Beispiel gern, dass Literatur nicht erklärt ist, oder dass eine Komposition nicht erklärt ist, sondern dass quasi in jedem Text auch so etwas enthalten ist, wie ein gewisses Geheimnis, was der Text halt eben hat, oder was die Komposition eben hat, oder der Film eben hat, dass man die nicht von A bis Z genau durcherzählen kann.

K.K.: Ja, das ist interessant, weil es in der Musik ja auch immer wieder die Frage gibt, ob man für ein Publikum schreibt, oder, weil du sagst, das an die Stufen des Tempels zu legen, da fällt mir irgendwie fast nur, oder gleich einmal, der Bach ein, der auch sagt, das ist alles dem Gott gewidmet, wahrscheinlich gibt es in der Kunst auch eine ähnliche Haltung, aber es ist ja dein Interview, das hat mich sehr interessiert.

W.B.: Vielleicht muss man Bach ja zustimmen, die Musik wendet sich ja doch an die Ohren der Menschen, oder, weil da ist der Umweg über Gott, sie wendet sich von den Menschen ab, ist an Gott gerichtet, und tönt sozusagen dann vom Himmel wieder zurück, vielleicht ist aber das dann gerade die Schönheit.

K.K.: Ja, also ich finde schon, und wahrscheinlich viele andere auch, dass man das gerade bei ihm sehr so empfindet, dass das jetzt gar nicht so gerichtet ist direkt an die Menschen, und doch richtet es sich damit umso mehr an sie, ich denke mir manchmal auch in der Musik, also ein gewisser Teil ist sozusagen auch nach oben gerichtet, und der andere Teil, ich meine, es müssen ja Menschen aufnehmen, rezipieren.

W.B.: Vielleicht ist dann eben gerade in dem ein gewisser Teil der Kunst enthalten, das müsste man fragen, weil jetzt zu diesem Beispiel mit Heraklit fällt mir natürlich als Relativierung sofort ein, dass ja in der griechischen Tragödie das auch so war, ein ganz wesentlicher Aspekt war der Monolog, beziehungsweise die Klage, aber die Klage, die sich nicht an andere richtet, dass man sich beklagt, sondern die Klage, die vollkommen aus diesem Leiden heraus, aus sich heraus kommt, und die Klage ist eine völlige, wenn man so will, Entfremdung von den Zuhörern, weil sie sich nicht an die Zuhörer richtet, diese monologische Klage, und gleichzeitig ist aber werden die Zuhörer durch diesen Akt des Beklagens wieder mit einbezogen, aber eben nicht in Gestalt der Kommunikation, so, ,dass man sich erklärt, sondern dass man das sozusagen zeigt.

K.K.: Genau, das finde ich aber sehr nahe an Musik machen, das ist gerade, was ein Konzert ist, die Zuhörerinnen sind zwar da, aber es ist jetzt nicht primär ein kommunikatives, also auf einer anderen Ebene, ja, finde ich sehr interessant, ja das finde ich interessant. Gibt es im wissenschaftlichen Tun Kompromisse?

W.B.: Sowohl ja, als auch nein, schon der Projektkontext ist einfach der Bereich der Kompromisse schlechthin, und andererseits gab es auch eine gewisse Kompromisslosigkeit von Personen, die ihre Sache kompromisslos vertreten haben, sei das jetzt falsch oder richtig, obwohl die dann ja meistens ziemlich rasch eingepasst worden sind, aber heute ist das ja auf jeder Ebene eine Kompromisstätigkeit, wenn du ein Projekt beantragst, das ist ja schon ein eingebauter Kompromiss, weil du ganz genau das reinschreiben musst, was du erwartest, dass die Auftraggeber von dir hören wollen, oder die Gutachter hören wollen, bis in den Bereich der Publikation hinein, das ist eigentlich sozusagen ein eingebauter Kompromiss, die Frage ist, ob man das dann persönlich durch das Alter, durch eine gewisse institutionelle Unabhängigkeit, vielleicht kompromissloser sein kann.

K.K.: Ja natürlich gibt es ja noch immer die inhaltliche Komponente, ich kenne das ja auch von Einreichungen, aber das ist ja nur so oft eine äußere Hülle, dass man jetzt quasi das Geld aufstellt dafür, oder die Rahmenbedingungen, und inhaltlich kann man ja dann doch noch ganz anders wegarbeiten.

W.B.: Ja, inhaltlich, also ich versuche das schon, also in diesem Spannungsfeld zwischen den notwendigen Kompromissen und quasi einer Kompromisslosigkeit, sagen wir einmal so, einer Konsequenz, Kompromisslosigkeit ist vielleicht ein bisschen das harte Wort, sondern dass man eben das, was man tut, in einer gewissen Konsequenz macht, sprachlich, argumentativ, und dass man das nicht zukleistert von vornherein, das würde ich dann als kompromisslos bezeichnen, aber das Wort ist mir zu stark, ich denke, dass jeder gescheiten wissenschaftlichen Tätigkeit eine nachvollziehbare klare Konsequenz zugrunde liegen muss, insofern ist sie sozusagen kompromisslos.

K.K.: Sind in den Produkten deiner Arbeit Erkenntnisse enthalten?

W.B.: Ja, davon würde ich wohl ausgehen, aber das ist halt die Frage, was das dann heißen soll, eine Erkenntnis sollte etwas sein, was man vorher nicht gedacht hat, wo man sagt, aha, so ist das also, oder so kann man das sehen, sonst wäre es ja eine reine Reproduktion dessen, was schon immer gedacht war.

K.K.: Und diese Erkenntnisse, sagen wir einmal, sind die übersetzbar, oder bleiben die in deinem Metier, also wären die auch in ein anderes Medium, in die Sprache, oder Bilder, oder Klänge zu übersetzen, also es ist jetzt die Frage, ob sich Erkenntnis an sich in etwas anderes …

W.B.: Also, ich glaube, dass eben gerade die Kunst der Übersetzung, in einem bestimmten Sinn, eigentlich das Wesentliche ist, wenn man sich irgendwie transdisziplinär, oder interdisziplinär zusammensetzt, und etwas produziert, und übersetzen heißt ja nicht, von einer Sprache vollständig klar in die andere zu übersetzen, sondern übersetzen hat etwas zu tun mit über einen Fluss setzen, und wenn man über einen Fluss drüberfährt, dann bleibt ja der Fluss, also dieser Abstand, erhalten, der Fluss verschwindet ja nicht, indem man ihn übersetzt, und ich finde das Wichtige am Übersetzen ist eben, dass beide Seiten dadurch befremdet sind, dass da so ein Prozess entsteht, in dem das eine Medium das andere Medium weiterbringt, oder stört, und das ist eben in der Philosophie interessant, wenn man uralte Sachen eben anschaut, wo ich davon überzeugt bin, dass man die auch nicht wirklich verstehen kann, also zum Beispiel das 17.Jahrhundert ist schon relativ schwierig zu verstehen, rein sprachlich, aber wenn du eben einen griechischen Ausdruck nimmst, also das Beispiel wäre eben Natur, das ist Physis, ist ganz etwas anderes als die heutige Natur, und Martin Heidegger hat dann Physis übersetzt als das von sich her Aufgehende, dass das die korrekte Übersetzung wäre, weil wenn du Physis übersetzt mit Natur, dann übersetzt du ja praktisch etwas ganz anderes in einen modernen Begriff, und in dem Moment, wo ich dann sage, das von sich her Aufgehende, und ich jetzt dieses das von sich her Aufgehende konfrontiere mit unserem Naturbegriff, dann wird dem modernen Naturbegriff ein Spiegel vorgehalten, plötzlich wird der problematisch, in der Übersetzung werden dann beide Seiten problematisch, und das Übersetzen hat dann auch zwischen verschiedenen Medien, da werde ich nicht nur so übersetzen, dass ich sage, kann man jetzt zum Beispiel ein Wort möglichst perfekt in einer Komposition ausdrücken, oder ist das so, wenn das Wort jetzt Klang wird, dass das Wort ein anderes wird, und der Klang eben auch ein anderer, und beide dann aneinander etwas anderes werden, das würde ich dann als übersetzen bezeichnen, und da glaube ich schon, dass man da in dem Sinn übersetzen kann, also das rein Sprachliche aus meiner Arbeit zum Beispiel in das Bildliche, oder dass ich selber sagen kann, ich verwende irgendwie so bei den Wanderbüchern so filmische Perspektiven, oder so Erzählformen, die eben nicht direkt Erzählungen sind von etwas, sondern dass man sich dabei in eine bestimmte Methode des Sehens hineindenkt, dann wäre das auch so eine Form von übersetzen, also ich glaube das Übersetzen ist etwas total Fruchtbares, und wenn etwas nicht übersetzbar ist, dann ist es tragisch.

K.K.:  Ja eh, du hast es jetzt auch ganz gut erklärt, es geht ja da jetzt, glaube ich, in deiner Erklärung nicht nur um Erkenntnisse, sondern du hast jetzt ganz etwas Grundlegendes zum Übersetzen, oder wie ich sage, der Begriff des Interpretierens, den gibt es ja in der Musik auch, oder ich sage das auch immer, je nachdem wer, ob Erkenntnisse, oder wer ein Stück spielt, klingt das jedes Mal völlig anders, und ich sage, das ist schon das Wesen der Interpretation. Musst du dich, um zu arbeiten, von der Welt distanzieren, und wenn ja, wie vollziehst du diese Distanz?

W.B.: Ja, wie gesagt, ich habe ja über dieses Spannungsverhältnis zwischen Kommunikation und Nachdenken gesprochen, und meine Tätigkeit hat schon sehr viele kommunikative Elemente, aber das, was ich jetzt als meine eigene Kreativität sehen würde, auch im Bereich der Kommunikation sicher auch, weil da kann ich, glaube ich, auch andere Leute ganz gut anregen, aber wenn ich etwas schreiben will, dann muss ich mich einfach zurückziehen, Gedanken brauchen eine gewisse Reifung, also mir geht es oft so, wenn ich eben in Rom bin, das ist mein Schreibort, am Abend fällt mir einfach nicht ein, wie ich das da weitermachen soll, und über Nacht gibt es da so einen Klick und dann kommt das, und wenn ich aber diese Kontinuität nicht hätte, von gestern Nachmittag bis morgen Mittag, dann kommt das nicht, dann kann ich, wenn ich jetzt vier Stunden in so einer Sitzung an der Uni sein müsste, dann kann ich zu Mittag wieder neu anfangen, dann kommt das nicht, das ist sozusagen verdorrt oder so, der Klick kommt nicht, und aus dem Grund, glaube ich, braucht man schon irgendwie eine Isolation, vor allem für den Aspekt der Kreativität, der aber gleichzeitig auch unheimlich sozial sein kann, also ich denke mir, dass gemeinsames Denken und Reden viel Neues erzeugt, aber so, wenn man an irgendeinem Punkt ist, und man findet nicht das richtige Wort, oder man findet nicht die richtige Weichenstellung, und dann arbeitet das so, vielleicht so ein bisschen spazieren gehen, oder so, und dann geht es, dafür brauchst du Zeit.

K.K.: Musst du deine Arbeit schützen, und wenn ja, vor wem, oder was, und wie?

W.B.: Das Schreiben, das muss ich einfach davor schützen, dass ich einen Text zu früh aus der Hand gebe, das ist einfach wichtig, ich muss erst einmal selber so weit gekommen sein, dass ich sage, so, von mir aus passt es, und ich kann es weitergeben, dann habe ich auch das Selbstbewusstsein mit Kritik so umzugehen, dass ich es dann wieder korrigieren kann, und dass ich nicht alles umschmeißen muss, sondern dass ich eben sage, aha, die Person hat recht, das muss ich noch ändern, das kann man nicht verstehen, oder so, also vor sowas muss ich es schützen, und vor was ich mich auch schützen möchte, weil ich darunter jahrelang gelitten habe, jetzt ja Gott sei Dank aufgrund institutioneller Position weniger, das ist einfach, die Universität ist eine derart ressentimentgeladene Institution, wenn irgendwer etwas Gutes macht, dann ärgern sich x Leute darüber, dass das gut ist, und lassen natürlich kein gutes Haar dran, und vor so etwas muss man sich einfach schützen, also ich sehe das jetzt nur halt bei Freunden, also jüngeren Freunden, ein Freund von mir, der in so einem Forschungsprojekt im Bereich dieses genetischen Fingerabdrucks arbeitet, wenn der von diesen Leuten angegriffen wird, der ist einfach vernichtet, also sozusagen für zwei Tage kommt er nicht mehr weiter, weil er sich so ärgert, oder so leidet darunter, und das möchte ich für mich nie mehr haben, also ich bin froh, dass ich keine Prüfungen mehr machen muss, oder irgendeine Promotion, oder Habilitation, weil ich möchte auf keinen Fall in diese Ressentiment-Geschichte reingehen, und deswegen habe ich ja immer versucht, meine größeren Sachen, die Dissertation, die Habilitation, wie man so schön sagt, unter Anführungszeichen, wasserdicht zu schreiben, weil ich wollte einfach, dass kein Mensch sagen kann, das ist falsch, und das ist mir in einem gewissen Sinn gelungen, weil das auch keinem gelungen ist, mir da wirklich etwas nachzuweisen, und da hat dann ein Freund von mir, der Ernst Kotzmann, der ist Mathematiker, gesagt, dass er den Eindruck hat, meine Habil habe quasi fast eine mathematische Form, in meiner Argumentation, und das hat mich dann total gefreut, aber es ist im Grunde ja vollkommen pervers, als Reaktion auf dieses Ressentiment-Klima, dass man dann sich quasi wasserdicht abschließt, und so formuliert, dass nur kein Mensch irgendwie sagen kann, das stimmt nicht, das ist dann so argumentiert, dass du sagen kannst, das ist so, das muss so sein, das stimmt einfach, und das ist natürlich pervers, ja, und vor sowas muss man sich schützen, weil sonst wird man unglücklich, ich kenne viele Leute, die sind unglücklich, die sind verbittert, die schauen aus, als ob sie den ganzen Tag eine Zitrone im Mund haben, und das möchte ich nicht.

K.K.: Mhm, also mir fällt dazu ein, diese Ängste, oder ich denke mir, das gibt es ja in der Kunst auch so, dass man sich da so vor solchen Ressentiments mindestens schützen muss, aber was sich da jetzt unterscheidet bei dir, weil du sagst, also in der Kunst gibt es sowas wie wasserdicht nicht, also da kann mir jetzt niemand sagen, ja so und so, oder bis zu einem gewissen Grad kann man natürlich schon sagen, so geht es nicht, aber ich höre da raus, das ist ja dann doch so etwas wie eine Realität, oder Wahrheit, oder das ist jetzt so etwas, was mich dann auch interessiert, was eine wichtige Frage wäre, gibt es dann doch so etwas wie eine, oder mehrere Wahrheiten, die dann eben nicht angreifbar sind, in der Wissenschaft?

W.B.: In meinem Bereich, in der Philosophie, machst du dich ja nicht dadurch angreifbar, dass du sagst, du hättest jetzt etwas wirklich Zutreffendes über eine Realität formuliert, sondern du machst dich dadurch unangreifbar, dass du zum Beispiel alle wichtigen Dinge beachtet hast, also du schreibst zum Beispiel über Technikphilosophie, und du hast de facto das alles in einen Bezug zueinander gesetzt, der schlüssig ist, das, was es gibt, das ist ja ein merkwürdiges Ding, das schöpft ja aus sich selber, die Philosophie zum Beispiel, die schreibt ja in den wenigsten Fällen über Realität, sondern sie schreibt über sich selbst, also über den Kontext, diesen Gesamtkontext, und wenn du dich dann qualifizierst, also meine Habilitation war über Technikphilosophie, also über den Begriff der technologischen Zivilisation, dann ist das weniger so, dass du sagen kannst, naja, jetzt habe ich die gesellschaftliche Situation adäquat beschrieben, es gibt sicher irgendwelche Leute, die das ganz anders und viel besser beschreiben, aber ich habe zumindest alles, was aktuell im theoretischen Diskurs eine Rolle spielt, berücksichtigt und verortet, und miteinander in Beziehung gesetzt, so dass das ein Gebäude bildet, wo eines das andere stützt, und dann kann mir niemand etwas tun, und sagen, da gibt es den und den, bei mir spielt das die und die Rolle, das ist dann wasserdicht, aber eine Realität oder eine Wirklichkeit, das spielt in diesen ganzen modellhaft angelegten Wissenschaften eigentlich keine besonders große Rolle, solange du eben versuchst, dich zu qualifizieren, und von anderen abhängig bist, dann kommt ja noch dazu, du bist in einer bestimmten Schule, da sind die, die dich unterstützen, die bilden eine Schule, und du kannst nicht einfach woanders hingehen, in eine ganz eine andere Schule, die schmeißen einen gleich raus, also du musst ja das alles berücksichtigen, und dadurch wird das dann wasserdicht, aber es ist ein Glasperlenspiel, also in dem Bereich, und das hat dann gar nichts mehr mit irgendetwas zu tun, das könnte durch die Wirklichkeit auch nicht wirklich widerlegt werden.

K.K.: Ja, mir ging es ja eher um den Begriff der Wahrheit auch, also Wirklichkeit, das glaube ich eh nicht, aber dass es so etwas, ihr seid ja als Philosophen so auf der Suche nach der Wahrheit, ganz banal ausgedrückt.

W.B.: Natürlich in der philosophischen Tradition, und auch in der Gegenwart, ist das das Thema der Philosophie, aber das funktioniert ja nur, wenn du von dieser einen Wahrheit ausgehst, und von dieser Wahrheit ausgehend die Wirklichkeit interpretierst, und das ist aber heute das ungelöste Problem, wie kann man Wirklichkeit so interpretieren, dass sie gleichzeitig als völlig plural erscheint, und dass diese Pluralität aber trotzdem eine ist, also wie soll das gehen, gibt es so etwas wie universelle Singularität, sagen wir einmal so, das ist ein abstraktes Problem, worüber man eben nachdenken kann, es gibt dann immer nur verschiedenste Wahrheiten und Perspektiven, die folgen angebbaren Regeln, das sind zum Beispiel die Dispositive bei Foucault, oder Sprachspiele bei Wittgenstein, das heißt, es gibt bestimmte Regeln, die muss man einhalten, und dann spricht man, aber es gibt eben viele Sprachspiele, und die kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, und die können nicht in ein Sprachspiel aufgelöst werden, Lyotard hat das Buch „Der Widerstreit“ geschrieben, und er sagt eben, es gibt nur den unaufhebbaren Widerstreit von solchen Sprachspielen, jedes für sich ist stimmig, aber sie bilden keine Einheit, es kommt immer darauf an von wo aus du das eben du formulierst, von woher du dein Argument aufbaust, und insofern gibt es sicher Wahrheiten im Plural, wenn man es ganz konkret nimmt, zum Beispiel ein Palästinenser sprengt sich in einem Autobus in Tel Aviv in die Luft, dann gibt es natürlich die Wahrheit der Mutter eines jüdischen Mädchens, das da gestorben ist, aber es gibt genau so die Wahrheit der Mutter dieses jungen Mannes, der sich in die Luft gesprengt hat, beides sind Wahrheiten, im vollsten Sinne des Wortes, weil beide vollkommen in diesem Erleben wurzeln und begründet sind, und begründbar sind, und beide Wahrheiten finden aber keine Gemeinsamkeit, das heißt sie sind im Widerstreit, und Lyotard, es ist ein krasses Beispiel, hat einfach gesagt, es kommt eigentlich heute darauf an, einen Widerstreit so zu organisieren, dass er nicht tödlich endet, sondern dass er ausgetragen werden kann, als unendlicher, dass es nie einen letzten Satz gibt, und insofern gibt es dann nicht die eine Wahrheit, die das am Schluss definiert.

K.K.: Nein, ich habe ja da jetzt nachgebohrt, ich will jetzt wieder rückführen mit einer einfach Frage, denkst du in Bildern?

W.B.: Ja, ich denke sehr stark in Bildern, ich würde am liebsten in Bildern schreiben können, aber das geht glaube ich nicht, weil ich habe eher so ein ausgebreitetes Denken, bis dorthin dass ich zum Beispiel, wenn ich Bücher gelesen habe, mir die Stellen merke anhand des grafischen Aufbaus der Seiten, also weniger, dass ich jetzt weiß, das ist Seite 250, sondern wenn ich so durchschaue, dann weiß ich einfach, da war ein Absatz dazwischen, das steht dort und dort, also ich habe eher so ein bildliches Gedächtnis, ich muss das auch sehen, deswegen brauche ich ziemlich viel Tinte für meinen Tintenstrahldrucker, diesen Reisedrucker, den ich immer mithabe, damit ich das machen kann, weil ich drucke das x Mal aus, weil ich muss einfach den Text sehen, nicht lesen, und am Computer, das ist mir viel zu wenig, ich möchte das in der Hand haben, und sehen, und dann weiß ich, ob das stimmt oder nicht, also insofern denke ich schon sehr stark in Bildern, in Tönen nicht, das ist vielleicht schwierig, ich weiß nicht, wie man in Tönen denkt, aber das ist natürlich ganz etwas anderes, vermutlich ist das Schreiben und darüber nachdenken viel mehr bildlich, weil es ja Buchstaben hat, man hört natürlich das auch, aber bei mir ist es auf jeden Fall das Bild mehr.

K.K.: Verwendest du fremde Methoden, zum Beispiel mit Sprache filmen, in Bildern schreiben?

W.B.: Ja, also nachdem meine Haupttätigkeit das Schreiben ist, verwende ich schon diese Methode sich zu bewegen, durch etwas hindurch, und eine Perspektive zu gewinnen, also es ist nicht so, dass ich sage so, wie soll denn das gehen, also ich kann ja nicht sagen, ich filme innerlich, das meine ich damit nicht, aber als Methode meine ich eben, fremde Methoden in dem Sinne wären Methoden, die mit Prozessen zu tun haben, die größte Erstarrung im Denken ist ja, wenn das so homogen nebeneinander steht, also zum Beispiel wo a ist, kann nicht gleichzeitig b sein, sondern b muss immer quasi das nächste sein, zum Beispiel dieses Aufnahmegerät kann nicht gleichzeitig eine Suppenschüssel sein, das ist eben in uns verankert, dass wir das auch im Inneren so denken, und für mich ist das aber schon so, dass etwas immer etwas anderes auch sein könnte, und daher stelle ich mir immer Prozesse vor, zum Beispiel eine Fahrt in einem Film, das ist ein Prozess, das ist viel stärker prozessual, als diese logischen Formeln, die logischen Formeln, da nimmt man a, b, c, d, e, das steht in einem gemeinsamen Raum starr nebeneinander, und deswegen interessiert mich das, und so vom Arbeiten her stelle ich mir oft solche Methoden vor, wie zum Beispiel etwas abgehen, was aber ja auch eine uralte Methode in der Philosophie ist, viele Philosophen zum Beispiel in der Renaissance, die haben sich als Rhetoriklehrer verdingt, zum Beispiel Giordano Bruno, dadurch ist er in Venedig dann verhaftet worden, weil irgendein Klient mit dem unzufrieden war, und dann eben in Rom verbrannt worden, und diese Rhetoriklehrer, die haben vor allem den Leuten beigebracht, wie sie auswendig eine Rede halten können, da gibt es tolle Bücher darüber, etwas von Francis Yates, über Gedächtniskunst, und die haben zum Beispiel den Leuten beigebracht, wie sie in sich selber im Kopf so eine Art Theater machen, und dann überall in diesem Theater zum Teil in die Logen etwas reinsetzen, einen Gedanken, und auf die Bühne den anderen Gedanken, und so weiter, und der hat frei geredet, in Wirklichkeit ist er sein ganzes Theater abgegangen, und hat seine Begriffe wieder aufgefunden, und die Handlungen, und so weiter, und solche Methoden, die finde ich interessant, so überschneidende Methoden, aber ich glaube, dass es auch wichtig ist, wenn man zwischen unterschiedlichen Künsten und unterschiedlichen Denkformen zusammen arbeitet, dass man die Unterschiede nicht wirklich aufhebt, das eigentlich Fruchtbare ist ja, dass wenn man miteinander spricht, dass dann jemand der schreibt, mit jemandem spricht, der komponiert, und das heißt nicht, dass das vermischt wird, sondern gerade der Unterschied ist das Interessante.

K.K.: Also ja, jetzt kommt die nächste Frage, oder die hast du da schon hineingehoben ein bisschen, die Antwort, ob dein Werk einer inneren Logik folgt, oder du sprengst sie dann wohl auch ganz gern, so wie du das jetzt gerade gesagt hast?

W.B.: Ja, ich habe das vorher gesagt, mit dieser Logik, die sich so aus den Worten ergibt, also ich glaube das ist keine, wo ich vorher sagen könnte, die ist schon da, aber hinterher könnte ich das rekonstruieren, an welchem Punkt es so eine Abzweigung gegeben hat, und natürlich, die Logik hat ja stark damit zu tun, dass das eben ein kommunikativer Akt ist, dass da etwas ausgedrückt werden soll, also ich meine, das ist vermutlich das Gleiche wie es in der Komposition bestimmte Regeln gibt, die du dann einhältst, oder eben nicht, also insofern folgt das schon einer Logik.

K.K.: Ja, du hast es ja auch schon gesagt am Anfang, dieses Übersetzen, gut das haben wir eigentlich auch schon. Wie ist das, wenn andere deine Arbeiten kommentieren oder interpretieren?

W.B.: Ja, wenn die Arbeiten diese Einsamkeitsphase durchlaufen haben, dann finde ich das wichtig und angenehm, ich finde das echt schön, aber dann müssen sie schon noch im Zweifel sein, aber doch so sein, dass ich sie nicht von Grund auf verwerfen würde, also wenn das Leute dann so kommentieren, dass ich mir denke, das ist eine totale Scheiße, das wäre mir nicht besonders recht, also eigentlich möchte ich ja positive Kommentare.

K.K.: Ist das überhaupt üblich, dass Wissenschaftler oder Philosophen wiederum Artikel kommentieren?

W.B.: Ja, wenn du bei einer Zeitschrift veröffentlichen willst, dann sind das ja Kommentare zu dem Text, und zum Teil müssen die Leute ihn sogar umschreiben, und so weiter, aber nachdem ich das nicht mehr brauche, ist es mir das zu mühsam, ich möchte einfach ein schönes Buch schreiben, ich habe noch vor, mehrere Bücher zu schreiben, die sollen halt schön sein, dann würde ich natürlich schon auf gute Rezensionen hoffen, sonst verkauft sich das ja nicht.

K.K.: Legst du Wert darauf, verstanden zu werden?

W.B.: Ja, also ich möchte schon gern so schreiben, dass man mich versteht, aber ich möchte nicht so schreiben, dass es quasi vollkommen geheimnislos ist, also ich möchte nicht sozusagen ein Journalist sein, oder das ist ja auch manchmal nicht verständlich, oder du verstehst dann selber nicht, was sie schreiben, oder so, ich möchte schon in einem gewissen Sinn verstanden werden, aber nicht vollständig, es sollte irgendwie etwas, so wie Literatur auch nicht vollständig verstanden werden kann.

K.K.: Ja, also das hast du vorher gesagt, ist dein Körper wichtig beim Arbeiten?

W.B.: Ja, in dem Aspekt, wo es um Erkundungen vom Orten geht natürlich, und ich bin ja Gott sei Dank trotz hin und wieder mancher Rauchphasen noch irgendwie fit genug, also Körper, im Sinne des Gehens und des Spürens ist mir schon sehr wichtig, beim eigentlichen Schreiben ist natürlich der Körper irgendwie da, der kriegt halt irgendwie einen ziemlich breiten Hintern, oder vielleicht sollte ich mir so ein Schreibpult kaufen, und dann auf und ab gehen, ich weiß nicht, wie du das machst, du sitzt ja meistens auch vermutlich.

K.K.: Ich habe jetzt mit dem Fuß weniger Rückenweh, als sonst, weil ich sonst so viel sitze, oder diese einseitige, vorm Computer sitzen, oder am Klavier, ja dann gehen wir doch noch auf die Sinne, welche Rolle spielen die Sinne in deiner Arbeit, Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten?

W.B.: Also am meisten der Sehsinn, das wäre aber irgendwie für mich auch ein interessantes Thema, inwiefern es eben für bestimmte Formen, zum Beispiel des Schreibens eben bestimmte privilegierte Sinne gibt, und das ist eindeutig in der Philosophie von Anbeginn das Sehen, das ist das Beispiel, dass ich ganz am Anfang gebracht habe, die Schaulust, man tastet die Wahrheit nicht, eigentlich im Gegensatz zum Epos oder zum Mythos, dort hört man ja die Wahrheit, aber in der Philosophie hört man sie nicht, sondern man schaut sie, weil das sehr viel mit so Formen zu tun hat, und der Harmonie der Formen, die du in dem Fall eben nicht hörst, sondern eben siehst, also insofern ist auch in dem, was ich tue, abgesehen jetzt von diesen Wanderbüchern, wo es ja auch sehr viel um Sehen geht, und um Perspektiven geht, die das Sehen sehr stark privilegieren, das Hören spielt relativ wenig eine Rolle, vielleicht das Tasten und Spüren ein bisschen noch, aber das fließt nicht wirklich in das Ergebnis ein, also in das Ergebnis fließt eigentlich das Sehen ein, ich weiß nicht, wie man das sonst transformieren könnte, also wie kannst du über Tasten schreiben, letztlich das Ergebnis ist ja praktisch der Text, wie machst du einen ertasteten Text.

K.K.: Obwohl ich, so wie ich dich einschätze, glaube ich, man sollte das nicht unterschätzen, also das Hören, zum Beispiel das stille Lesen funktioniert nur deshalb, indem wir uns ständig eigentlich innerlich hören, wie das klingt, sonst könnten wir gar nicht, und ich glaube, deshalb brauchen auch Kinder relativ lang, oder müssen am Anfang laut lesen [W.B.: Das stimmt, das ist ein total wichtiger Einwand, was du sagst.], und ich glaube, dass du deine Texte ganz sicher auch mit der Ästhetik, wie ein Text klingt, oder ein Satz klingt, baust.

W.B.: Genau, den lese ich mir oft auch laut vor, und wenn es laut nicht wirklich einen Rhythmus hat, dann muss man es umändern, ja, das stimmt, du hast völlig Recht.

K.K.: Also, ich glaube gerade Text, oder weil du ja oft auch in Seminaren einen Text gelesen hast, den erfasst man ja hörend, primär, und das lesen kann man ja nur dann, wenn man es schon kann, also das ist ja dann schon die zweite Ebene [W.B.: Ja.]. Gut, wo arbeitest du am liebsten?

W.B.: Am liebsten auf meiner Terrasse in Rom [lacht] [K.K.: Das habe ich mir gedacht.], mal sehen, vielleicht wird aus dem was, weißt eh, was ich da kaufe, diese Wohnung, da ist auch so ein Terrassengärtchen dabei [K.K.: Schön.], aber am liebsten so halb im Freien, wenn es warm ist, große Schreibtische mag ich nicht, weil ich glaube bei mir würde ein Schreibtisch nie groß genug sein können, weil ich lege so viel rauf, und da genügt mir schon ein kleiner Tisch, da kann ich wenigstens nicht so viel rauflegen, und dann räume ich es immer wieder weg, am liebsten ein kleines Klapptischchen, so groß wie in kleinen Kaffeehäusern, und ein Sessel, das genügt schon.

K.K.: Aber da kommen wir doch noch einmal auf die Sinne zurück, also schreibst du lieber mit der Hand, oder..

W.B.: Nein, ich schreibe am Computer, und dann korrigiere ich es mit der Hand, und dann schreibe ich wieder am Computer, oft mache ich so Pfeile und das mache ich schon, dass das so ein System kriegt, aber hauptsächlich Computer, also ich bin einer der ersten Computersozialisierten, was das Schreiben betrifft.

K.K.: Und das führt mich jetzt noch zu einer anderen Frage, welchen Fetischismus habt ihr als Wissenschaftler?

W.B.: Fetischismus?

K.K.: Ja, gibt es da gewisse, weiß ich nicht, Dinge, die ihr zum Fetisch erhebt, oder was für dich vielleicht in der Arbeit wichtig ist, so wie, weiß ich nicht, eine bestimmte Art von Bleistift, oder musst du ein bestimmtes Hemd anhaben zum Schreiben?

W.B.: Nein, da bin ich irgendwie ganz normal, ich habe das überhaupt nicht so wie der Joseph zum Beispiel, der hat ja immer, wie heißen diese teuren Füllfedern, diese Montblanc, und dann extra Bleistifte, die er sich aus Indien kommen lässt, das habe ich überhaupt nicht, also ich habe da diesbezüglich überhaupt keinen Fetisch, nicht dass ich wüsste, aber es ist eine interessante Frage, da müsste man ja, vielleicht von der Methode her, also ich habe schon viele Bücher durch Unterstreichungen ruiniert, also dass ich viel so unterstreiche, und das so grafisch noch so irgendwie kenntlich mache, aber ich weiß nicht, ob das ein Fetisch ist, ich bin leider recht normal [K.K. lacht].

K.K.: Wann ist denn eine Arbeit fertig, also wann ist deine Arbeit fertig?

W.B.: eine Arbeit ist fertig, wenn sie sozusagen beim Ziel angekommen ist, und das ist dann, dass sie gedruckt ist, oder dass sie eben von den Auftraggebern angenommen ist, dann ist sie fertig, vorher habe ich immer noch Zweifel, aber das ist ja das Gute im Druckereigewerbe, unter Anführungszeichen, wenn sie einmal beim Verlag ist, dann kannst du nichts mehr machen, dann ist es irgendwie aus, und dann ist es fertig, wenn es dann nicht wirklich fertig ist, bei manchen Sachen habe ich irgendwie Scheu, das noch einmal anzuschauen, dann denke ich mir, vielleicht komme ich noch irgendwo drauf, dass das doch nicht so gut ist, und so, dann schaue ich es lieber nicht an.

K.K.: Das heißt, also solang es noch nicht beim Verlag ist …

W.B.: Solang ich es ändern könnte, ja.

K.K.: Und ist es dann für dich, also ich kenne das von Schriftbildern, von Partituren, also gut da schreibe ich oft, nachdem du sofort im Computer schreibst, ist das etwas anderes, also so der Unterschied Manuskript und etwas Gedrucktes.

W.B.: Naja, ich habe schon im Computer immer zwei Seiten auf, die, wo ich schreibe, und eine Seite, wo praktisch der Ablauf des Textes drauf ist, also bei mir sind das mehrere so Produktionsstufen, ich sammle Literatur, dann habe ich so Zettel, aber immer am Computer, wo das quasi ein bisschen regellos steht, dann wird das ein bisschen mehr geordnet, und wenn ich das dann so weit habe, dass ich jetzt sagen könnte, so jetzt kann ich dieses Stichwortverzeichnis nehmen, und einen kleinen Vortrag halten, dann habe ich das links am Computer, und dann fange ich rechts mit dem Schreiben an, und dann schreibe ich sozusagen von links nach rechts, also das, was da so als Vortrag steht, das versuche ich dann da auszudrücken, und ich habe vorhin eben erzählt, auf der zweiten Seite bin ich schon wieder ganz wo anders, auf der linken Seite fange ich dann wieder zu ändern an, damit das mit den Veränderungen auf der rechten Seite Schritt halten kann, damit ich das nicht umsonst zusammengestellt habe, und so, also das ist irgendwie so ein Hin und Her.

K.K.: Mhm, was verstehst du unter Scheitern?

W.B.: Also, jetzt beruflich meinst du?

K.K.: Ja, bleiben wir jetzt auf der beruflichen Ebene, oder auf der Arbeitsebene.

W.B.: dass was auseinanderfällt, das Wort Scheitern kommt ja aus der Schifffahrt, es hat ja geheißen, dass quasi das Schiff in seine Planken auseinanderfällt, also Scheiter, und das Schiff ist gescheitert, zerschlagen durch die Wellen, und dann hast du nur mehr die Scheiter auf dem Meer herumtreiben, das kommt ja auch manchmal vor, dass, zum Beispiel, etwas was man als Projekt, oder irgendwo sonst aufgebaut hat, dass das quasi auseinanderfällt, dass die Leute auseinander gehen, dass es zu nichts kommt, oder dass es vergeblich war und scheitert, was es natürlich auch öfter gibt, das sind diese Sackgassen, dass man in eine Sackgasse geht, und dann nicht mehr weiterkommt, also das ist auch Scheitern, das ist dann auch so blöd, beim ersten Scheitern, das ist halt dann einmal vorbei, und die Leute sind davongerannt, oder so, aber beim zweiten Scheitern steckst du ja oft in der Sackgasse noch drinnen, und wie heißt das im Englischen, dead end, und im Italienischen heißt das strada senza uscita, also Straße ohne Ausgang, und so irgendwo zu stehen, wo man nicht mehr hinaus kommt, das ist natürlich scheitern, das finde ich total blöd, weil in solchen Fällen habe ich die Scheu, das wieder wegzuwerfen, ich weiß nicht, wie es dir beim Komponieren geht, aber ich kann es mir dann oft einfach nicht eingestehen, da bin ich in die Sackgasse gegangen, und ich versuche dann irgendwelche Konstruktionen, um aus dieser Sackgasse rauszukommen, und dann geht es nicht, und bis ich mir dann irgendwie sage, das kannst du jetzt wirklich wegschmeißen, das dauert ewig.

K.K.: Ja, es ist eher so, dass es dann gescheiter ist weg, und etwas Neues anfangen.

W.B.: Du schmeißt das dann echt weg, du kannst das?

K.K.: Eher so auch als Gedanke etwas wegschmeißen, oder ja manchmal gibt es ja so, weil die Musik sich ja eben nicht so schnell materialisiert, also man braucht ja dann insofern nicht so viel wegschmeißen, oder da gab es auch manchmal Aufnahmen, wo man einfach sich eingestehen muss, also das ist manchmal auch eine bittere Erkenntnis, wie jede, wo man glaubt, das war gut, ich höre das oft, oder das bestätigen ja auch viele Musiker, man glaubt selber, es war gut, und du hörst dir das dann an, und denkst, nein, eben es ist ja eigentlich völlig auseinandergefallen, und dann gibt es auch das Umgekehrte, wo man selber geglaubt hat, das war ein ganz ein schlechtes Konzert, und dann hörst du es dir an, und denkst dir, nein, das war gar nicht so, also es gibt da noch einmal so die Eigenwahrnehmung, die nicht immer stimmt.

W.B.: Tja, das ist tragisch [lacht].

K.K.: Ja, aber das hat ja auch eine eigene, weiß ich nicht, das ist ja recht in Mode gewesen, das Scheitern, zumindest in den letzten Jahren, ist mir vorgekommen, in der Kunst oder in der Musik, gut, also so einigermaßen, glaube ich, wir haben so ziemlich alles durch.

W.B.: Ja, wenn es dir nicht fad war, dann sind wir nicht gescheitert.

K.K.: Nein, ganz im Gegenteil, es gibt vielleicht noch, wenn wir schon beim Scheitern sind, ich will ja irgendwie positiv aufhören, aber jetzt habe ich noch eine Frage, die in die selbe Kerbe schlägt, gibt es so etwas wie Angst bei deiner Arbeit, wenn du in einem Arbeitsprozess bist?

W.B.: Ja schon, also eigentlich Angst vorm Scheitern, aber nicht jetzt vor dem zukünftigen Scheitern, sondern dass es irgendwie eben auseinanderfallen könnte, ich meine, so wenn man, so Projekte macht, zum Beispiel, ich habe ja meistens einen ziemlich integrativen Part dabei, also ich möchte, dass das nicht in völliges Unverständnis auseinanderfällt, oder so, und das macht mir dann schon oft ein bisschen Angst, und so, wie wir zum Beispiel unser Projekt begonnen haben, habe ich total Angst gehabt, wie der Joseph sich da einbringen wird, also ob das kommunikativ möglich ist, weil er meines Erachtens wirklich gute Sachen sagt, und auch ganz wichtig ist, aber eben in dieser gruppendynamischen Situation, und das hat mir zum Beispiel ein bisschen Angst gemacht, also so Sachen machen mir, eher Sachen, die mit Menschen zu tun haben, als jetzt mit Buchstaben, oder Materie, das Materielle ist mir jetzt nicht so wichtig, wirklich eher etwas, das mit Menschen zu tun hat, davor habe ich Angst [K.K.: Ja, das verstehe ich.], du wolltest positiv enden, hast du gesagt?

K.K.: Ja, eigentlich ja.

W.B.: Wie heißt es beim Humphrey Bogart, Gefahr ist mein Geschäft.

K.K. [lacht]: Gefahr ist mein Geschäft, sehr interessant.

W.B.: Kennst du das nicht, wie heißt dieser Film noch einmal, Der Malteser Falke, glaube ich, wo doch irgendjemand zu ihm sagt, this is too dangerous, und er sagt, danger is my business, und geht dann.

K.K.: Gut, ja dann hören wir doch so auf.