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janke / miklautz: steine sprechen

„… Ja, es ist ein Abarbeiten an meinem Umfeld, also ich meine, ich gehe durch so eine Stadt, ich gehe durch diese Straßen, diese Straßenschluchten, an diesen Gebäuden vorbei, und das ist dann so ein Wunsch, mich mit denen auseinanderzusetzen, in einen Dialog mit diesen steinernen Gebilden zu kommen …“


Janina Janke, interviewt am 14.10.11 von Elfie Miklautz, Dauer 1:42 Stunden

E.M.: Wenn dich jemand fragt was dein Beruf so ist und was du da so tust, was antwortest du denn da?

J.J.: Ich antworte, dass ich ausgebildete Bühnenbildnerin bin, dass ich also Bühnenbild studiert habe und dass ich nach meinem Studium eine eigene Kompanie gegründet habe und damit auch gleich angefangen habe Regie zu führen, und dass ich aber nicht im Theater arbeite, sondern im realen Raum, urbanen Raum, und eigentlich diese Räume inszeniere, also deswegen sage ich eigentlich auch, ich bin Bühnenbildnerin, weil ich mit Räumen umgehe, ja so antworte ich dann.

E.M.: Mhm, gibt es andere, die das auch machen oder bist du so eher der Meinung, dass sowas selten ist?

J.J.: Also ich glaube Bühnenbildner, die also so wie ich diese Bühnenbildnerausbildung gemacht haben und hinterher in so eine eigene Richtung gegangen sind, weiß ich jetzt gar nicht, kenn ich niemanden, Regisseure die, also es gibt mittlerweile ja, also es gibt natürlich auch schon eine Tradition von diesen site specific Projekten, aber in dieser Massivität, wie sie jetzt seit ein paar Jahren auftreten, das hat sich jetzt irgendwie so kumuliert, und daher gibt es natürlich viele Leute aus dem Bereich der Regie oder oder aus dem Tanzbereich, die im realen Raum arbeiten, also ich glaube speziell ist bei mir, dass ich als Bühnenbildnerin das mache und nicht als ausgebildete Regisseurin, aber, und dass ich auch ganz bewusst immer, also für mich steht da immer der Raum wirklich im Vordergrund, und ich nehme den Raum sehr bewusst wahr, und ich versuche eben aus diesem Raum zu lesen, ich glaube da ist es schon speziell, so wie ich mit Raum umgehe, aber ja, das ist direkt bestimmt auch aus meiner Biographie heraus, aber sonst gibt es Regisseure und Choreographen und bildende Künstler, die auch damit arbeiten zum Beispiel, die mit realen Räumen umgehen.

E.M.: Damit ich mir das noch so ein bisschen besser vorstellen kann, könntest du mir einfach irgendeinen Arbeitstag so aus den letzten Wochen beschreiben, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, wie so ein Arbeitstag bei dir ungefähr ausschaut?

J.J.: Also ich stehe auf, mach mir einen Kaffee, schau als erstes die Nachrichten auf Spiegel online oder irgendwelchen anderen Portalen an oder lese die Presseschau oder hör mir die Presseschau auf Deutschlandfunk an, dann setzte ich mich an den Schreibtisch und rufe alle Mails ab und beantworte alle Mails, und dann hab ich schon immer im Kalender von meinem Computer schon eigentlich immer die ganze Woche gefüllt mit so Aufgaben, die ich mir für die Woche gestellt habe, das besteht aus Personen treffen, mit denen zusammen arbeiten oder alleine daür vorarbeiten, jetzt die letzten Wochen waren speziell, ich habe an meinem eigenen Projekt gearbeitet, das ich mache eben über das Corbusierhaus in Berlin und auch in Marseille, es gibt eben zwei baugleiche Wohnhäuser in Berlin und in Marseille, und da ist eben der Plan, eine Installation zusammen mit einem Komponisten in Berlin zu entwickeln, und diese Installation eins zu eins zu übertragen auf das Wohnhaus in Marseille, und da waren wir eben eingeladen in Marseille, weil Marseille/Provence 2013, weil das Kulturhauptstadt wird, eben das dort vorzustellen, weil diese Installationen die das ins Programm aufnehmen, das heißt da war ich, und da hab ich natürlich das alles nachbearbeitet, ausgewertet die ganzen Gespräche, die wir da geführt haben, hab Dankmails an alle Leute geschrieben, die ich getroffen habe, habe Termine ausgemacht jetzt mit dem Komponisten und der Produktionsleiterin, wies weiter geht, wir müssen das Budget überarbeiten und an die reellen Situationen anpassen, wir müssen das Konzept überarbeiten und an die realen Situationen anpassen, ich habe Kontakt mit einem Künstler aus Marseille gehabt, und die Überlegung war, ob wir ihn noch mit ins Team aufnehmen und hab ihm halt so meine Vorschläge und Bedenken geschrieben, ja also sehr viel Organisatorisches gewesen, dann hatte ich, dann hab ich noch ein zweites Projekt, das ich auch vorbereite gerade, da bin ich aber mehr ein Zuarbeiter, und zwar ist das für Martin Heller, der ist eingesetzt als, er soll das Konzept entwickeln für das kulturelle Programm vom Humboldt-Forum in Berlin, weil da wird ja dieses Schloss wieder aufgebaut und da soll das Humboldt-Forum reingesetzt und verschiedene Institutionen sozusagen, also die Bibliothek, die Humboldt-Universität, die staatlichen Museen zu Berlin, es sind so viele Institutionen, die zusammenkommen, dieser kulturelle Spielort, wo sozusagen viele verschiedene Bereiche in einem zentralen Gebäude gefasst werden sollen, und Martin Heller ist eben da beauftragt, das Kulturprogramm zu entwickeln dafür, und er will im Vorfeld, bevor dieses Gebäude wieder, also rekonstruiert wird dieses Schloss, will er diese brachliegende Fläche, die ja auch so konfliktaufgeladen ist, Palast- und Schlosswiederaufbau, Palastabriss, will er da ein großes Kulturevent stattfinden lassen, und da hab ich mit ihm zusammen gerade, also er hat das Konzept weiter entwickelt, das Budget ausgearbeitet und das Booklet gestaltet, das jetzt an verschiedene Förderer und Sponsoren und Mitarbeiter ausgegeben wird, also das ist meine Arbeit gerade.

E.M.: Und gibt es da auch so Anteile, die kreativ sind, oder sind das stark organisatorische oder managementbezogene Tätigkeiten?

J.J.: Also ich finde das greift immer sehr stark ineinander, also zum Beispiel wenn ich jetzt für, also in Marseille waren wir dann vor Ort bei dieser cité, bei diesem Gebäude, Cité radieuse heißt das in Marseille, und dann komm ich halt dorthin mit einem Konzept im Kopf, wie da eine Installation stattfinden soll, im Gebäude eine Rauminstallation und in den Appartments Videoinstallationen, und dann komm ich eben hin, dann hat man auf einmal die Realität vor Augen, und dann hat man da Menschen, und dann muss man eben auf einmal anfangen das, was man sich im Kopf theoretisch ausgedacht hat, mit der Realität abzugleichen und den Menschen das zu vermitteln, zu kommunizieren, seine Kunst verständlich zu machen, weil die sich natürlich fragen, warum müssen die die Kunst in meinem Wohnhaus machen, also wieso gehen die nicht ins Museum oder ins Theater und, oder überhaupt die ganzen bürokratischen Schwierigkeiten, die man da überwinden muss, und ich seh eben das genauso als für mich eine künstlerische Arbeit, also ich sehe das jetzt nicht als was Organisatorisches, sondern das ist für mich eigentlich, ich nenne das immer Unterwandern von urbanen Strukturen oder sozialen Strukturen, und da muss ich eben dann einen Weg finden sozusagen, wie ich mich da reinschleuse und wie ich es schaffe sozusagen, meine Irritationen da reinzusetzen, aber mit Einverständnis der Menschen vor Ort und mit dem Raum, und das ist für mich auch eine Art von Kunst, und da hab ich dieses riesentonnenschwere steinerne Gebäude mit diesen vielen Menschen, 1000 Menschen da drinnen vor mir, und muss das irgendwie bezwingen, und muss es schaffen, da meine Phantasie reinzusetzen, und das ist eigentlich ja, das ist für mich so ein bisschen der Reiz auch immer, und natürlich will ich denen nichts überstülpen, sondern ich wills ja in einem Dialog mit den Menschen und dem Gebäude machen, und das heißt ich brauche ja auch von ihnen was, ich will ja mit ihnen reden, da sind ja auch die Interviews, und mit denen arbeite ich ja weiter, daraus entsteht ja meine Installation, also da in so einen Kommunikationsprozess zu kommen, das ist auch so, also da seh ich so das Kreative, das ist am Anfang vielleicht so eine Idee, die man hat, die noch sehr abstrakt ist und dann dieser Arbeitsprozess, in dem man sich eben dieser Realität annähern muss und dann zu einer Kommunikation kommt, und dann ist es aber verbunden mit viel Organisation, ich muss die Gelder besorgen, ich muss mich verkaufen, ich muss verschiedene Institutionen mit auf das Boot holen, damit das ganze Projekt überhaupt interessant wird auch für Geldgeber, ich muss auch kulturelle Vermittlungsarbeit teilweise leisten, ich muss Budget machen, ich muss auch vieles mitdenken, also jetzt zum Beispiel bei diesem Schlossplatz-Projekt musste ich vom Marketingkonzept über wie verläuft ganz praktisch dann diese, also das ist so eine Art Baustelle, da musste ich vom WC über Wasser über Strom über Zugangswege das musste ich alles mitdenken bis über die größte Phantasie, was entsteht denn da jetzt für ein poetisches Spielfeld, also das geht sozusagen vom Niedrigsten, von der Scheiße, bis zum Höchsten sozusagen, der großen Poesie, die dann diesen Platz erfüllen soll, also ja, es ist so alles mit dabei, das ist aber auch das, was mich interessiert am realen Raum, deswegen bin ich auch weg vom Theater gegangen, weil da bist du so in deinem Guckkasten, kannst das alles ausblenden und machst da drinnen halt so deine Kunst, die da irgendwie in dieser schwarzen Bühne schwebt, aber für mich in keiner Reibung zur Außenwelt steht. die ist so geschützt da drinnen, und das hat mich nicht interessiert, das ist für mich immer so ein bisschen zu weltfremd, zu abgehoben, das berührt mich nicht, wenn ich Schauspieler da vorne an der Bühne stehen sehe, und die erzählen mir da ihren Text, und ich sehe da so eine Distanz dazwischen, und deswegen bin ich auch in die Stadt gegangen und suche dort die Reibung an den realen Orten, und dann ist es halt so, dann werden mir permanent irgendwelche Barrieren in den Weg gelegt, weil dann geht irgendwas nicht, weil da muss jetzt gerade eine Baustelle eingerichtet werden, obwohl ich ja diesen Durchblick gerade brauchte.

E.M.: Das ist interessant, weil du hast das Wort bezwingen ja auch genannt, Gebäude bezwingen oder Strukturen, das klingt so wie etwas erobern oder so, den Willen aufzwingen ist vielleicht schon zu viel gesagt, aber jedenfalls Handlungsmöglichkeiten schaffen in einem Bereich.

J.J.: Ja, es ist ein Abarbeiten mit meinem Umfeld, also ich meine ich gehe durch so eine Stadt, ich gehe durch diese Straßen, diese Straßenschluchten an diesen Gebäuden vorbei, und das ist dann so ein Wunsch, mich mit denen auseinanderzusetzen, in Dialog mit diesen steinernen Gebilden zu kommen und das meine ich glaube ich mit diesem Bezwingen, so ein Abarbeiten, so ein Forschen nach den Geschichten, die da drinnen strecken, mehr darüber zu erfahren und nicht nur sozusagen auf seinem Weg daran vorbeizulaufen, und das ist das, ja, das genaue Hingucken.

E.M.: Wenn ich dir zuhöre, habe ich den Eindruck, dass dich diese Barrieren und alles was da mitzudenken ist, dass das für dich eher was Beflügelndes ist für deine Phantasie und nicht so sehr etwas, was hemmt oder was bremst, also es ist eigentlich ein bestimmter Reiz, der da besteht und dann dadurch erst Ideen entstehen oder so, kann man das so sehen?

J.J.: ich glaube das hatten wir auch im Gespräch vorher mit dem Drehbuch oder ja, Interview, ich würde sagen ich mache Leitfadenkunst, also ich habe sozusagen so einen bestimmten roten Faden, den ich verfolge, aber da kann es irgendwann wieder ganz viele Ausschläge in alle Richtungen geben, und diese Ausschläge und diese Umwege sind auch gerade das Interessante und geben Input für alles weitere, was dann kommt und das ist alles unvorhergesehen, das kann ich einfach alles nicht mit berechnen, das ist ja klar, und weil gerade reale Orte, die sind einfach unberechenbar, man weiß ja nicht, was für Menschen da vorbeikommen, was für Autos, und was der Stadt da gerade einfällt, was sie da hinbauen wollen, oder was da jetzt für ein Ereignis stattfindet, also zum Beispiel bei den Festspielen war es so, dass auf einmal mitten auf dem Fasanenplatz, was für mich auch ein Spielort war, das ganze Altersheim da irgendwie mit den Rollstühlen angefahren kam und dann beschlossen haben, sie machen da jetzt eine Party, und auf einmal war der Fasanenplatz da ein riesiges Altersheimfest und das ist von der Stimmung her natürlich was ganz anderes, als wenn dieser Platz leer ist, sag ich mal, da waren dann halt irgendwie mindestens fünfzig alte Menschen in Rollstühlen mit Luftballons und das gibt eben, klar, etwas Ironisch-lustiges diesem Platz, und das passiert einfach, ohne dass du es wissen kannst, du weißt ja nicht, was das Altersheim schräg gegenüber plant, du kannst auch nicht alle fragen vorher, was sie planen, und das sind aber Situationen, die natürlich dann schon erstmal irritieren, aber dann auch wieder Input geben um weiter zu denken.

E.M.: Also das ist dann so ein spontanes Reagieren auf diese Unvorhersehbarkeiten, das dann so einen zusätzlichen Kick gibt?

J.J.: Ja genau, man versucht eigentlich im Groben sehr vorhersehend zu planen, also was ich da vorhin beschrieben habe vom WC bis zu welche Baustoffe und so weiter, also das ist jetzt für dieses Schlossplatz-Projekt, aber gleichzeitig ist man sich bewusst, dass man eigentlich, wenn es dann geschieht, immer wieder ganz spontan reagieren muss, also das ist super anstrengend, und deswegen kann man das auch nicht so produzieren, produzieren, produzieren glaube ich, also ich habe einmal fünf Projekte in einem Jahr gemacht und dann war ich richtig, richtig kaputt, das ging nicht, also ich glaube mehr als drei möchte ich nicht machen im Jahr, solche Projekte, und das ist auch noch viel, das ist schon extrem anstrengend, aber es gibt für mich gerade keinen Impuls, mich zurückzuziehen, ich habe immer noch diesen Impuls, mich dem zu stellen und diese Reibung zu suchen und genieße auch immer diese unterschiedlichen Lebensbereiche, in die ich dadurch reinkomme, weil jedes Gebäude natürlich mit verschiedenen anderen Lebensbereichen verbunden ist, und ich erfahre darüber sehr viel, lerne sehr viel was ich glaube über die Gegenwart, über das Heute in Verbindung mit der Geschichte dieser Orte, aber ich glaube so direkt und so unmittelbar konnte ich das niemals aus einem Opernwerk oder aus einem Theatertext lernen, und das ist glaube ich, weswegen ich nicht loslassen kann von diesen Orten, warum es mich immer noch wieder dahintreibt, aber den Schritt, den ich auch noch bei diesem Projekt machen will, ist ja sozusagen mich diesem realen Umfeld auszusetzen, aber das Ganze dann doch zu nehmen und da oben in diesen Donauturm zu setzen, in eine Distanz zu dem realen Ort, also da ist die uno city ja da unten, und ich versuche da meine Sammlung und meine Reflektion und das Kondensat, was sich dann ergeben wird, wo wir noch nicht wissen, wie es aussieht, da oben, sozusagen dem entgegenzusetzen, das ist jetzt ein neuer Versuch glaube ich, vorher sozusagen habe ich das Publikum ja immer in diese Orte reingesetzt, reingelassen, die Orte zugänglich gemacht überhaupt, manchmal kam man sonst gar nicht rein.

E.M.: Kann man sagen, dass du deine Arbeit liebst?

J.J.: Ja (lacht) auf alle Fälle, also es ist für mich oft überfordernd oder, also ich habe oft diesen Moment, wo ich überfordert bin, und dann denke ich, ich mache das nicht mehr, ich kann nicht mehr, aber es ist nie der Moment, wo ich überfordert bin, weil ich die Arbeit nicht mag, also ich stehe ja morgens auf und habe sofort irgendwie diesen Impuls, weiter zu machen und denke nicht, oh Gott heute bloß nicht, also das kenne ich auch von früher, als ich die Tischlerlehre gemacht habe, da gab es manchmal so Tage, wo man sich denkt, ah jetzt musst du wieder in diese trockene, staubige Tischlerei rein und da wieder die Sachen zurechtsägen, und ich habe heute überhaupt keine Lust oder so, das kenne ich jetzt nicht mehr, also das habe ich nicht mehr.

E.M.: Und diese Ideen und das, was du deine Phantasie da reinbringen nennst, wo entstehen denn die, also ist das so im Umgang mit den Leuten und im Beantworten von Mails also so zwischen drinnen gewissermaßen, oder bist du da jemand, der sich da irgendwo zurückzieht und sagt, jetzt muss ich mal in Ruhe da nachdenken?

J.J.: Also ich mache nie Projekte alleine, also ich habe immer ein Gegenüber, also ich bin da ein dialogisch denkender Mensch, kommt natürlich auch daher, also ich komme vom Theater, wo man immer im Team ist und in der Gruppe ist und habe mir das bis jetzt auch so erhalten, es entspricht auch glaube ich mehr meiner Persönlichkeit, aber ich bin jetzt, es kommt dann immer auf mein Gegenüber drauf an, ob ich im Dialog sofort so ping pong-mäßig, ob man sich da was gleich zusammenspinnt, oder ob man erst mal so erzählt von sich und seinen Erfahrungen, und dann ziehe ich mich zurück und dann wird das erstmal durchgearbeitet, das gibt es bei mir auch, also zum Beispiel mit Maurice, mit dem ich hier zusammenarbeite, ist es so, der pulvert da dauernd rein, und da bin ich dann erstmal so, dass ich denke ok, das höre ich mir jetzt alles an und das wird dann so gespeichert irgendwie, und dann habe ich mich hingesetzt und habe eben diesen Antrag geschrieben, und das war sozusagen alles, was ich von Maurice gesammelt hatte dann mit meinen Gedanken in eine Form gebracht, also da habe ich das eben nicht im direkten Dialog gemacht, sondern den inneren Dialog für mich in eine schriftliche Form gebracht, aber es gibt eben auch Menschen, wo es vom Rhythmus her anders funktioniert, die halt mit mir so im gleichen Rhythmus sind, und wo man dann ping pong-mäßig sich die Sachen hin und her schiebt und dann entsteht daraus so was.

E.M.: Ist es für dich entspannter, so zu arbeiten?

J.J.: Nein, das finde ich beides gut, also ich bin so ruhig mittlerweile, dass ich weiß, dass ich mir die Dinge, die ich richtig vernommen gut finde, dass ich mir die alle merke, also ich denke mir nicht, da geht jetzt irgendwas verloren oder so, zum Beispiel wenn ich Regie führe, ich schreibe nie Regiebuch, ich weiß immer alles, also das, was ich vergesse, war scheiße, und da vertraue ich mir so also, oder wenn ich was vergesse, dann kommt es im richtigen Moment wieder hoch, also ich bin nicht so ein großer Notizenmensch glaube ich sondern, und deswegen ist es für mich auch ok, wenn ich erstmal viel sammle und dann aber in der Arbeit oder während des Schreibens von einem Text oder so, kommt das wieder, da verlasse ich mich darauf, und jetzt zum Beispiel bei dem Corbusierprojekt arbeite ich mit Bill, das ist auch ein Komponist, wir haben so eine gleiche Schwingung irgendwie, und das finde ich sehr angenehm, weil wir halt dann, wenn wir irgendwo vor Ort sind im Dialog sozusagen das Konzept immer weiter spinnen und uns gegenseitig da hochschaukeln, und da passiert es eben direkt gleich, ich weiß nicht, ich finde beide Formen gut, also Hauptsache es kommt was dabei raus, wenn nichts dabei raus kommt, dann nicht, aber hatte ich das eigentlich schon einmal? So ein richtiges Scheitern? … Ja, ich hatte mal so ein richtiges Scheitern, und zwar da haben wir in einer ganz großen Gruppe gearbeitet und da waren wir zwölf Gleichberechtigte, die sozusagen zusammen ein Konzept entwickelt haben, und das möchte ich wirklich als Scheitern betiteln, weil da war ich nicht, also ich glaube mir sind da kleine Konstellationen wichtig, weil als zwölf Leute dann immer irgendwie immer Futter in die Runde gegeben haben, das wurde dann so verwässert, und man konnte sich auch nicht entscheiden, wie es hinterher dann aussehen soll, das Ergebnis, und das ging nicht, also vielleicht ist das wichtig, das auch nochmal zu betonen, dass das für mich für so eine künstlerische Arbeit schon wichtig ist, das in einem konzentrierten Team, in einer konzentrierten Gruppe zu machen.

E.M.: Und wenn ihr da zum Beispiel nicht zu einer Auffassung gelangt, wie kommt ihr dann dorthin, dass ihr eine Entscheidung trefft, wie das gemacht wird, also vielleicht will der eine den Weg verfolgen, der andere einen anderen, wie macht ihr das dann, dass ihr das entscheidet?

J.J.: Also dadurch, dass ich da eher vom Raum, vom Visuellen komme, und ich immer mit Leuten aus den Bereichen der Musik zusammenarbeite, ist es ja von vorne herein klar, wer wo die Autorität hat, also ich kann natürlich dem Komponisten sozusagen, ich kann darauf reagieren, wenn er mir was vorspielt oder was zeigt oder eine Idee sagt, kann ich darauf reagieren und mit ihm darüber diskutieren, aber im Endeffekt finde ich, hat er dann da die Überhand, also das ist sein Gebiet, also zum Beispiel die Klaginstallation im Corbusierhaus ist die Sachen von Bill und ich werde mit ihm da zusammen daran arbeiten und an der praktischen Umsetzung dann auch, weil es geht ja da um einen Raumklang, also dass der Klang sich da durch den Raum bewegt über 130 Meter, und das ist einfach auch so eine technische Sache, da habe ich keine Ahnung davon, da arbeitet er dann eben mit einem elektronischem Studio zusammen, und das überlasse ich ihm also, und da habe ich eben auch Vertrauen, aber genauso werde ich mich da eher auf die Rauminstallation und das Video konzentrieren und will unbedingt von ihm auch die Reaktion, aber im Endeffekt, die letzte Entscheidung, wie das dann im Raum gesetzt ist und wie das dann aussieht, liegt bei mir, also das ist glaube ich durch die verschiedenen Bereiche schon so getrennt, dass man keine Kompromisse irgendwie finden muss.

E.M.: Also vor so einer Situation bist du noch nicht gestanden, dass ihr gewissermaßen im gleichen Bereich kompetent wart und uneinig oder so, und dann überlegen musstest, wie man das jetzt löst?

J.J.: Nein, weil ich auch oft in der Moderatorenrolle bin, als Regisseurin hast du ja viele Spezialisten um dich herum, die da sozusagen die Cracks sind und das liefern, und ich bin diejenige, die es verschaltet miteinander, und ich sehe meine Aufgabe darin, das ganze inhaltlich zusammenzuführen, damit es eine klare Aussage gibt, die jetzt nicht eins und eins ist zwei sein muss, aber die klare Aussage, die in verschiedene Richtungen schwebt so, also die die Dramaturgie überwacht auch mit und deswegen ja weiß ich im Endeffekt dann, dass ich den Leuten in den verschiedenen Bereichen, also ich wähle auch die Leute, mit denen ich arbeite, ganz bewusst aus, aber da vertraue ich ihnen dann auch in dem, was sie machen, und während des Prozesses sozusagen wird aber immer abgeglichen, also da hinterfragt man dann wieder, wo wollen wir hin, was ist der Inhalt, den wir transportieren wollen, ist die Form adäquat, in welchen Raum wollen wir es wie setzen, also das wird halt permanent immer abgeglichen, ich hatte nie so einen richtigen Konflikt, wo man irgendwie nicht zusammengekommen ist, also ich hatte einmal einen Konflikt mit Opernsängern, ja das waren Opernsänger, experimentelle Musiker und eine traditionelle koreanische Sängerin und da hatten die Opernsänger Angst, wenn sie die koreanische Sängerin hören, dass ihre Stimme kaputt geht, da war ich dann natürlich schon ein bisschen überfordert, also wie ich mit so einer Situation umgehe, (lacht) ja der koreanische traditionelle Gesang ist sehr kehlig und sehr expressiv und gepresst, also hat gar nichts mit der klassischen Operngesangstechnik zu tun, die eigentlich das Gegenteil davon macht, die macht ja auf den Brustkorb und stützt, und die waren eben davon überzeugt, wenn sie hören, wie Jaram, die traditionelle Sängerin, singt, dass sich das dann bei ihnen auf die Stimme legt, dass sie dann nicht mehr so ihre Technik, das waren junge Opernsänger muss man sagen, also die waren dann total gehemmt, und ich habe diese Koreanerin eingeladen nach Deutschland zu kommen, die ist ein Star gewesen in Korea, und die wird von diesen Opernsängern so angegriffen, das warfür mich erstmal kulturell auch total peinlich, und dann auch, das war ein schwieriger Konflikt, weil ich weiß ja nicht, ob das so ist, ob man da vom Hören eine belegte Stimme davon kriegen kann, kann ja sein, ich weiß ja nicht, wozu so ein Körper fähig ist, und das war ein sehr schwieriger Moment, und da war es dann so, dass ich dann, also sozusagen das toleriert habe, dass die nicht mit ihr zusammen singen wollen, und dann gabs aber einen Sänger, einen Opernsänger, der bereit war, das zu machen, und da war dann witzigerweise die experimentelle Musik wie das Amalgam dazwischen, zwischen der klassischen Opernmusik und der traditionellen koreanischen Musik, hat die experimentelle Musik eigentlich die Verbindung geschafft zwischen diesen beiden Polen und das in Zusammenklang gebracht, aber da konnte ich nichts tun, also ich konnte jetzt nicht die Opernsängerin zwingen, also das war schon eine harte Zeit, ja.

E.M.: Also das hat sich über einen längeren Zeitraum gezogen?

J.J.: Ja, das war im Schillertheater und da hatten wir nur eine bestimmte Zeit, um das sozusagen zu produzieren, und da war ja schon angekündigt, da wird was präsentiert, und dann hatte ich den ersten Tag, wo ich die ganze Truppe zusammengeholt hab, und was war? Fünf Minuten waren alle Menschen in einem Raum, und es gab einen Riesenkonflikt, damit fing das an, da hab ich schon ein bisschen Bange gekriegt und dachte scheiße, wir haben diesen Raum, wir haben die Förderungen, und wir haben diese Menschen, und wenn wir damit nichts produzieren, dann muss ich das Geld zurückzahlen oder was, da war ich schon ein bisschen panisch, also das waren viele Telephonate, viele Gespräche und eben auch Maurice, der versucht hat als experimenteller Musiker zu vermitteln, und irgendwann ging es dann, das war schon anstrengend.

E.M.: Ja du hast den quasi Normalfall so beschrieben, dass du quasi als Moderatorin auftrittst, für mich entsteht da ein bisschen der Eindruck, wenn du eben Regie machst, und alle sind in dem Sinn spezialisiert auf irgendwas, dass das doch auch eher dir die Möglichkeit gibt, dann die Entscheidung zu treffen, also du moderierst nicht nur und bist so ein ausgleichendes Element, sondern eigentlich hast du ja das Sagen, oder?

J.J.: Es kommt immer ganz auf das Projekt drauf an, also wenn ich jetzt mit Maurice zusammenarbeite, sind wir genau gleichberechtigt, also da gibts einfach nur zwei Leute, die zusammen ein Projekt machen, und das letzte Projekt in der VWS, also bei der Versuchsanstalt, da war es so, dass wir ein Dreierleitungsteam waren, also einer vom Text, einer von der Musik und ich eben von der Szene, Bild und da waren wir zu dritt entscheidungsberechtigt, und es gab aber auch Projekte, wo ich alleine entscheidungsberechtigt war, also es ist immer abhängig glaube ich von dem Projekt und der Projektform.

E.M.: Und du sagtest, Kompromisse waren bislang nicht so notwendig, also die Bereitschaft, zu sagen, ok, machen wir das mal so, wie ihr das wollt, das war bislang nicht notwendig?

J.J.: Ich kann das so schwer, also Kompromiss hat für mich immer so einen negativen Beigeschmack, vielleicht wenn man es nicht negativ sieht, sondern wenn man sagt, dass … ja weil natürlich reagiere ich auf Kritik und ändere dann Sachen, wenn ich das verstehe, und dann kann man das ja auch eigentlich als Kompromiss sehen, also aber da bin ich ja auch froh über die Kritik, weil sie mich ja auch weiter bringt und mir zeigt, wo ich Fehler gemacht habe, oder was noch schwach ist oder so, also wenn man so Kompromiss sieht, sehr gerne, dann habe ich das schon oft gemacht, ständig und immer im Prozess, aber so ein Kompromiss, dass ich sozusagen von der Qualität abweichen muss, die ich eigentlich erfüllen will, nur um jemanden zu befriedigen, also psychologisch …

E.M.: Das kommt nicht in Frage. und das ist so, weil um der Kunst willen darf das nicht passieren, dass man da nachgibt oder um der Idee willen?

J.J.: Also man will ja so weit, so hoch wie möglich in der Qualität kommen, also das wäre ja schlimm, wenn man wissen würde, es geht besser, und man macht es nicht, es muss dir ja genauso gehen bei deinen Texten, also wenn ich es nicht weiß, dann ist es egal, ok, dann merke ich es vielleicht erst ein halbes Jahr später und denke ok, da kannst du ja noch ein bisschen weiterarbeiten, aber wenn ich es im Moment weiß, dann kann ich da nicht davon ablassen, das geht ja nicht, da würde ich echt sagen, da bin ich so konsequent, dass ich da auch mich mit Menschen zerstreiten darüber …

E.M.: Würdest du so weit gehen, dass du ein Projekt sausen lässt sozusagen, zurückgibst den Finanziers?

J.J.: Davor hätte ich wahnsinnige Angst glaube ich, also das ist schon ein sehr großes Druckmittel, dass man diese Verantwortung, dass man Geld kriegt und da ein Projekt hat, und ich glaub so cool bin ich noch nicht, oder so überzeugt von mir, dass ich sage, ich habe die Vision, und wenn ich die nicht machen darf, dann könnt ihr mich mal, also da bin ich noch zu gefangen im System, also das kann ich mir momentan nicht leisten, glaube ich, da versuche ich noch eher in der Situation zu kämpfen und das Beste daraus zu machen, also so weit gehe ich da noch nicht, aber ich hatte die Situation einmal, weil ich für ein Projekt wusste, es ist von der Qualität her besser, wenn ich mit dieser Person nicht zusammenarbeite, und daran ist dann auch die Freundschaft kaputt gegangen, aber das war sozusagen für die Qualität des Projekts dann entscheidend.

E.M.: Wenn du irgendeine Sache anfängst, also irgendeine Arbeit, ein Projekt beginnst, hast dann das Gefühl, dass da sowas in dir ist wie eine innere Notwendigkeit, das zu tun, oder ist das so ein ganz freies Beginnen, also es kann das sein, es kann aber auch was anderes sein, oder zieht dich oder zwingt dich irgendetwas dorthin, also hast du das Gefühl, es muss das jetzt gemacht werden, oder ist es eher ganz locker?

J.J.: Es ist wie so ein Einhaken, also zum Beispiel jetzt, wo ich einmal eingehakt bin in die uno city, könnte ich nicht davon lassen, ich muss das abarbeiten, ich könnte jetzt nicht sagen, ja, war nett darüber nachzudenken, jetzt mache ich mal was anderes, also das ist dann so, oder das Corbusierhaus genauso, das beschäftigt mich seit 2008 intensivst, und ich kann da nicht sagen, also ich muss da erst was daraus produziert haben, dann kann ich es wieder loslassen, also das ist so, man hakt ein, und dann muss man sich mit dem auseinandersetzen, dass man das einmal gemacht hat, also es ist ja nicht so, nachdem ich da irgendwas präsentiert habe, dass ich da genau weiß, genau sofort sagen kann, aha, und das ist jetzt die Erkenntnis daraus, und deswegen habe ich das gemacht, aber ich habe wieder was zurückgeben können, und dass das einmal passiert ist, das ist total wichtig, sonst sammle ich so viel in mich rein und fresse an Wahrnehmungen so viel in mich rein und Beschäftigungen, und wenn das nicht irgendwie in irgendeiner Form wieder aus mir raus kommt, dann würde ich platzen, (lacht) und das muss schon sein und das hat eben bestimmte, ich weiß nicht was für Orte, dass wir mit Foucault sozusagen das ganze in eine Richtung gebracht haben, unsere Gruppe, also das stimmt, es passt sehr zu mir, weil also ich glaube, was ein bisschen diese Orte beschreibt, die mich interessieren, sind schon diese heterotopischen Orte, also die irgendwie eine Aufladung haben, die aber auch in einem Transformationsprozess sind, die irgendwie verweisen auf was anderes noch, also ich glaube es sind schon immer wieder solche Orte, die mich neugierig machen, und wo ich dann daraus lesen will, also wo ich dann nicht mehr daran vorbei gehen kann, dann sind die einfach so im Fokus.

E.M.: Spielt da eigentlich so was ganz Persönliches und Intimes dabei eine Rolle bei deinen Arbeiten, oder ist das da wenig wichtig?

J.J.: Das weiß ich gar nicht, naja mich wundert das sehr, weil eigentlich bin ich ja sehr ländlich aufgewachsen mit Blick auf den Wendelstein, mit Blick auf die Alpenkette, und was ich jetzt mache ist ja eigentlich, mich sehr sehr intensiv mit urbanen Orten auseinandersetzen, also das heißt ich könnte es nicht aus meiner Kindheit begründen oder so … was ist es denn? Es ist schon wahrscheinlich irgendwie so eine persönliche Neugierde und der Wunsch, mein Umfeld zu verstehen und mich da drinnen besser zu verorten, so in dem Sinne vielleicht, ja vielleicht so ein bisschen eine Sinnstiftung für mich.

E.M.: In fremden Städten quasi oder in fremden Stadträumen.

J.J.: Ja, das ist ja alles um mich herum fremd, und dass man versucht, so wie eine Religion vielleicht, also dass es im Glauben so sinnstiftend ist, also das irgendwie einen Haltepunkt zu geben, und für mich ist es eben der Raum, den ich versuche, zu fassen zu kriegen und das zu verstehen, und ich mir auch so ein Handwerk zugelegt habe, wie ich mit Räumen umgehe und ja, ich glaube das ist ein bisschen so.

E.M.: Und wie kommt dann eigentlich so ein neuer Raum an dich heran, also wie kommst du quasi zu so einem neuen Thema, einem neuen Raum, mit dem du dich beschäftigen möchtest, kommt das so auf dich zu oder blitzt irgendwann was auf oder ja, wie entsteht sowas?

J.J.: Zum Beispiel ich nehm jetzt mal nicht die uno, ich nehm jetzt das Corbusierhaus, da war es so, für das Theatertreffen 2009 sollten wir ein Workshop machen über einen Ort in Berlin, und dann hab ich so einen Herrn gefragt vom Senat, der war der Verwalter vom Schillertheater, der ist beauftragt, alle kulturell genutzten Gebäude in Berlin zu verwalten, und da wusste ich einfach, der ist ein Typ, der kennt viele Orte in Berlin, der kennt sich gut aus und hab den getroffen, dann hab ich ihn gefragt, was er vorschlagen würde, was spannend wäre als Ort, den ich nicht kennen kann, worüber wir arbeiten könnten mit elf jungen Theaterschaffenden, und der hat uns dann eben Verschiedenes vorgeschlagen, zum Beispiel hat er erzählt im Brandenburger Tor gibt es einen 400 Quadratmeter großen Raum oben drinnen und dann, da war es aber so, da bin ich gar nicht so eingehakt, was er da gesagt hat, und dann habe ich selber so für mich die Stadt mit offenen Augen und mit dem Wissen, ich muss jetzt irgendeinen Raum vorschlagen, und da, ja da bin ich einfach durch die Stadt gefahren und hab geguckt, was sticht mir ins Auge, und dann bin ich außerhalb der Stadt gewesen auf dem Teufelsberg, auf diesem hohen Berg eben, wo man so über Berlin auch gucken kann, und dann habe ich da geguckt, und dann auf einmal bin ich an einem Gebäude hängen geblieben, an dem Corbusiergebäude, was eben ein großer Block mitten in der grünen Landschaft ist, und dann war es klar, also es ist wie so ein scannender Blick, und irgendwann trifft es.

E.M.: Und das ist nicht so, dass du das dann groß begründen könntest, sondern das ist dann einfach so ein Aufeinandertreffen von …

J.J.: Ja da würde ich sogar den Begriff der Intuition verwenden, also dass man intuitiv weiß, das ist ein Ort, mit dem möchte ich mich jetzt beschäftigen, da werde ich für mich daraus etwas ziehen können, da gibt es interessante Aspekte, die ich da untersuchen kann.

E.M.: Du hast jetzt gesagt, da würde ich sogar den Begriff Intuition verwenden, das ist, den du sonst eher nicht so magst in Arbeitszusammenhängen, oder habe ich dich jetzt da falsch verstanden?

J.J.: Ja ich verwende ihn sparsam, ich finde so etwas gefährlich.

E.M.: Was ist das Gefährliche daran?

J.J.: Ich glaube ich versuche immer möglichst klar und präzise in dem zu sein, was ich formuliere, und wenn ich sage, etwas ist intuitiv, dann ist es, das ist für mich zu schwammig, oder wenn, dann möchte ich das wirklich dann nur an Punkten machen, wo ich das in gutem Gewissen tun kann, wo ich weiß, dass da ein Begriff gut stimmt, ich glaube an die Intuition und ich finde das ist auch was ganz Wichtiges, also habe ich dir ja auch vorher gesagt, ich verfolge immer Gespräche und sammle ganz viel, und ich weiß, dass ich intuitiv, im richtigen Moment kommt es hoch, also ich glaube an mein Unbewusstes also, das auf alle Fälle, aber ich will nicht permanent damit jonglieren, also mit diesen Begriffen, ich will schon versuchen, präzise immer zu bleiben.

E.M.: Das hat ja, weil wir hier in dem Projekt eben über diese Erkenntnis und Möglichkeiten sprechen, die die Kunst auch bietet, also das wäre ja, wenn du sagst Klarheit und Präzision sind dir wichtig, in dem, was du tust, und wie du das auch dann begründest oder beschreibst, das wäre ja eigentlich eine Anschlussstelle zu den Wissenschaften, wie siehst du das mit diesem großen Wort Erkenntnis, hast du das Gefühl, dass das, was du tust, ganz stark auch Erkenntnis produziert, und ist dir das ein Anliegen oder denkst du gar nicht so darüber nach?

J.J.: Also es ist permanent Erkenntnis für mich, ich fühle mich dann immer wie so ein kleines Kind wieder, also wenn ich in so neue Räume reingehe und die erkunde, dann habe ich das Gefühl, dass ich permanent neue Dinge erfahre und dadurch dann neue Erkenntnisse bekomme, also für mich ist es schwer zu beurteilen, inwiefern dann durch die Projekte, die ich zeige, Erkenntnisse produziert werden, also das müssen glaube ich eher die von außen sagen, also ich, ja, mein Wunsch ist es natürlich schon, dass ich das, was ich an Erkenntnissen für mich aus diesen Orten heraushole, das ist dann vielleicht wie bei Ursula auch so ein Vermittlungsgedanke natürlich auch wieder zurückzugeben, ob mir das immer gelingt, weiß ich leider nicht, da ist es dann auch immer die Formsuche natürlich, wenn ich das ganz, also so wie ich die letzten paar Jahre immer gearbeitet habe an den konkreten Orten dann irgendwie, dass ich da direkt Szenen reinsetze und in direkten Dialog mit den Räumen bringe, glaube ich, ist es für das Publikum auf alle Fälle, also nehmen die auf alle Fälle etwas mit, also die nehmen erstmal mit, in diese Räume zu gehen und auf bestimmte Dinge wach gemacht zu werden, und sie nehmen bestimmte akustische Erfahrungen mit, sie nehmen Geschichten mit also, und welche Erkenntnisse daraus entstehen, das mag dann an jedem persönlich liegen, das kann ich ja nicht so richtig beeinflussen, das verbindet ja dann auch jeder subjektiv dann mit eigenem Wissen, mit eigenen Erfahrungen, aber ich wünsche mir natürlich schon, dass das passiert.

E.M.: Und du sagst, das ist dann die Suche nach der Form, also erkennst gewissermaßen etwas und bringst das dann in eine Form und bringst es nach außen, meinst du, dass diese Erkenntnis dann auch getrennt von der Form, in der sie dann zum Ausdruck kommt, existiert, oder braucht sie die Form, um überhaupt Wirklichkeit zu kriegen?

J.J.: Mh, das ist eine philosophische Frage (lacht), doch ja, also da sehe ich mich ja auch so ein bisschen als ein Archäologe, und der guckt sich dann so die Wand an, und erst mal sieht man nur eine Wand, aber wenn man genauer hinguckt, sieht man die Spuren, die da dran sind, und und dann kann man anfangen zu lesen, also es steckt eigentlich da schon was drinnen, was man erstmal vielleicht nicht wahrnimmt, aber dadurch, dass ich sozusagen durch meine Inszenierungen dann den Fokus auf diesen schwarzen Fleck da lenke, ist eine vorhandene Sache, die schon da ist, wird aber dann nochmal wahrnehmbarer gemacht, also ist die Erkenntnis vorher schon irgendwie da, aber ich versuche eben die Wahrnehmung darauf zu lenken.

E.M.: Und könnte man das beispielsweise dann übersetzen, also angenommen du findest irgendeine Form, in der du auf diesen schwarzen Fleck besonders hindeutest oder so, könnte man das auch in eine andere Form gießen? Also könnte man das auch von einem Bild in eine Sprache übersetzten oder in eine Bewegung oder in einen Klang oder so, also gibt es Möglichkeiten, da Erkenntnisse zu übersetzen in andere Ausdrucksformen?

J.J.: Auf alle Fälle, und es ist abhängig von dem, der es macht, es ist abhängig, in welcher Zeit man es macht, es ist abhängig von Konstellationen und auch vom Raum, also ja, ich glaub es ist alles möglich, aber natürlich wenn ich etwas mache, weil ich bin einfach ein sehr visueller Mensch, ich werde mir jetzt keine Kompositionen ausdenken können, also da hab ich nicht das Handwerk dafür, da habe ich nicht die Erfahrung dafür, deswegen, ich reagiere immer auf visuellen Reiz und versuche, das wieder zu nutzen und darzustellen, ich könnte vielleicht auch mal einen Text schreiben, das traue ich mir auch noch zu, aber ich kann Darsteller inszenieren dazu, ich kann vielleicht auch einen Musiker mit einem Instrument ins Verhältnis setzen dazu, aber ich kann nicht komponieren. also ich träume immer davon, in meinem nächsten Leben wäre ich aber gerne ein Dirigent, also mich richtig mal intensiv mit Musik, also wirklich diese Materien viel besser zu verstehen, weil jetzt beschäftige ich mich intensiv mit Musik und ich versuche es zu verstehen, aber habe das nie studiert und mich nie da so richtig reinbegeben, und habe mit meinen Räumen so viel zu tun, dass ich keine Zeit sehe daneben noch, mich richtig auf die Musik einzulassen, aber es ist schon etwas, was mich sehr reizt.

E.M.: Und da eher das Dirigieren als beispielsweise das Komponieren?

J.J.: Ja das Dirigieren, im Dirigieren liegt ja auch dieses Interpretieren, ich glaube schon, dass das interessant ist, komponieren weiß ich nicht, nein dirigieren, also ich sehe das jetzt so ganz romantisch, also ich stehe da mit einem Orchester und kann da irgendwie die Einsätze von den verschiedenen Instrumenten bestimmen und bin sozusagen derjenige, der die Musik in der ersten Reihe, da kann ich richtig eintauchen, das, was ich sonst halt, wenn ich im Auto sitze und ganz laut die Musik aufdrehe irgendwie, dass ich das mal so live um mich herum …

E.M: Und noch dazu so wie du es willst …

J.J.: Ja genau, das ist schon so ein bisschen eine Allmachtsphantasie (lacht), vielleicht ist es ja auch ein Wunsch, weil ich ja nicht, also ich bin nicht besonders musikalisch begabt jetzt, ein Instrument zu spielen oder so, ich habe da viele gescheiterte Versuche unternommen, aber es war nie so, dass ich einfach so los improvisieren konnte, also vielleicht ist das auch der Wunsch, diese Materie mal richtig zu verstehen.

E.M.: Du sagst, du erkennst da was, wenn du diese Räume aufsuchst und mit denen anfängst, in Auseinandersetzung zu treten, aber würdest du das, was du da erkennst, als Wahrheit bezeichnen?

J.J.: Mh, Wahrheit, das ist ein schwieriger Begriff?

E.M.: Oder ja, was ist für dich eigentlich so Wahrheit und steckt die auch in deiner Arbeit mit drinnen, das ist so die Frage?

J.J.: Mh, was ist denn Wahrheit, finde ich sehr schwierig … ich weiß es nicht, es kann ja auch sein, dass ich betrogen werde, weiß ich nicht, ob das Wahrheit ist, das weiß ich nicht, also ich kann mich ja auch täuschen, meine Sinne können mich ja auch täuschen, ich finde Wahrheit sehr schwierig, es kann in einem Moment wahr sein und im nächsten Moment nicht, also den Begriff den kann ich schwer fassen, Wahrheit weiß ich nicht …

E.M.: Ja, ich denke auch so an so Dinge, weiß nicht, ich stell mir das halt jetzt so vor, ich versuche mir vorzustellen, wie du in deiner Arbeit dann vorgehst, dass du langeZeit irgendwie dir denkst, dieser schwarze Fleck, was kann das sein, was kann das heißen, oder warum ist der da oder so, und irgendwie, irgendwann kommt dann so ein Moment, wo du sagst, ja das ist es.

J.J.: Aber ich weiß nicht, ob das dann ein Moment von Wahrheit ist, … es gibt diese Momente, wo auf einmal wo man weiß da, jetzt stimmt es, meistens kann ich das jetzt aber nicht sagen wenn, ja doch beim Inszenieren schon, aber eigentlich wenn ich Konzepte entwickle, und man schraubt unendlich herum und hat so viele verschiedene Stränge, die man zusammenführen will, und aber es bemüht sich alles noch so und man muss noch so viel, also das merkt man meistens so, man schreibt das so hin, ja das klingt ja ganz logisch und das funktioniert, und wenn man das jemandem vorstellt, dann merkt man, da fügt es sich ja noch gar nicht zusammen, da musste ich ja noch viel dazu argumentieren, warum das jetzt so ist oder so, und dann, wenn man dann so weiter arbeitet, dann irgendwann gibt es den Moment, und dann macht es flutsch, und dann ist es ganz klar, dann kann man das Ding auch mit drei Sätzen beschreiben, aber was ist das dann? Das weiß ich gar nicht, was für ein Wort man dafür finden könnte, dann stimmt es, aber wahrscheinlich weil ich ja auch vom Theater komme, da wird ja zum Beispiel die Szene jeden Abend wieder aufgeführt, und die kann in der Probe, du kannst sie mit dem Schauspieler, mit der Schauspielerin einstudiert haben, und die kann stimmen, dann ist das Timing richtig, die Richtung richtig, die Intonation richtig, das Kostüm richtig, alles außen rum richtig, das kann stimmen, und so schickst du es dann in die Premiere, dann kommt das Publikum dazu, dann kommt schlechtes Wetter dazu, dann kommt der Schauspieler, hat Migräne, dazu und dann stimmt es nicht mehr, das kann aber am nächsten Tag wieder stimmen, also deswegen gibt es das ja gar nicht so richtig.

E.M.: Also es ist flüchtig auf jeden Fall, was da dann stimmt?

J.J.: Ja, auch wenn es sozusagen als Konzept stimmt und ich weiß, jetzt ist alles richtig, richtige Kostüme, alles richtig, auch so wie du es zusammengedacht hast, ist alles richtig, aber die Realität ist einfach stärker, also das ist ja auch glaube ich diese Versuche, mein Kampf, meine Auseinandersetzung damit, deswegen bin ja immer draußen, also in realen Räumen, das ist ja so diese Reibung, und in dem Moment, wo es mal stimmt, das ist ja dann das Tolle, also wenn man merkt, dass, also zum Beispiel im Bahnhof Zoo, bei dem Projekt war es so, wir haben da die Szenen inszeniert und uns einen Kopf gemacht, und dann hinterher, was hat immer gestimmt? Das waren die Momente, wo das Publikum durch den Bahnhof gelaufen ist und eigentlich keine Szene stattgefunden hat, sondern das Publikum einfach mit diesem wachen Blick auf Grund von dem, was vorher stattfindet, mit diesem wachen Blick durch dieses Gebäude gelaufen ist und einfach selber ganz viel erkannt hat, und nicht mehr unterscheiden konnte, was ist Fiktion und was ist Realität, das war das, wo es gestimmt hat, aber das hatten wir ja gar nicht vorher gewusst und ausgedacht, die sind ja flüchtig, aber dann, wenn es passiert, immer toll, also das ist vielleicht auch so mit so einem Antrieb natürlich, dass man solche Momente haben kann.

E.M.: Und schreibst du das dann dir zu oder irgendwelchen glücklichen Umständen, wenn es stimmt?

J.J.: Teils teils, also beim Bahnhof Zoo würde ich sagen, das schreibe ich uns zu, die wir es geschafft haben, diesen Bahnhof Zoo so zugänglich zu machen für Kunst, eine Zeitlang mit Kunst zu belegen, aber natürlich in dem Moment, dass das alles so eingerastet ist und gepasst hat, das waren viele Sachen, die da zusammen gekommen sind, da hat die Realität mit der Kunst zusammen gespielt (lacht) ja das ist schon, ja, da unterscheidet sich wahrscheinlich dann auch jeder Kunstschaffende in seinem Anspruch, in dem, was er tut, wieder von einander, wenn jemand ein Bild malt, dann will der nicht irritiert werden von der Realität, also der malt dann sein Bild, bis das für ihn stimmt, und dann hängt es da auch und stimmt für ihn, und das ist aber bei mir, das sind ja immer temporäre Sachen und auch in einem bestimmten Zeitraum verankert auch, ich glaube auch das Projekt von der uno city, wenn ich das jetzt erarbeite, hat das ganz viel mit jetzt zu tun, und wenn man sich das dann in zehn Jahren anguckt, ist es vielleicht historisch interessant, aber es ist nicht mehr als Kunstwerk so interessant, also denke ich jetzt mal, aber für mich steht das sehr im Heute diese Auseinandersetzungen, zum Beispiel Bahnhof Zoo, dieses Projekt könnte man jetzt nicht mehr machen, weil jetzt ist der Bahnhof Zoo komplett anders, also das war so ein Moment, da wurde er gerade geschlossen für den Fernverkehr, also vom großen Hauptbahnhof in den Regionalbahnhof degradiert, und das war der Moment, wo es interessant war, dieses Projekt zu machen, jetzt könnte man das da nicht mehr machen, das würde nicht funktionieren …

E.M.: Wenn man dir zuhört, hat man das Gefühl, dass bei dir Ideen quasi sprudeln oder so, also dass du viele Ideen hast, ist das so, also wuchern quasi deine Ideen?

J.J.: Ich habe keine Angst davor, keine Ideen zu haben, vielleicht ist es deswegen, dass ich da so entspannt bin, ich habe auch den Mut, zu sagen, ich habe jetzt keine Idee, aber ich arbeite ja im Team, also ich kann mich dann ja auch verlassen, dass dann ein anderer wieder anstößt und eine Idee hat, und dann kann ich wieder reagieren, nein Ideenlosigkeit habe ich auch wirklich noch nicht so erfahren, also es ist nicht so etwas, wovor ich Angst habe, ich habe ja auch kein weißes Blatt Papier vor mir, das ich füllen muss, ich habe ja was Lebendiges vor mir, wo ich darauf reagieren kann.

E.M.: Und sammelst du die Ideen, die dir so kommen, also wahrscheinlich sind es ja mehr, als realisierbar sind, zu dem Zeitpunkt, wo sie gerade kommen, notierst du dir die irgendwie, oder bewahrst du die auf, oder sind die dann wieder weg und tauchen vielleicht zu einem Zeitpunkt, wo du dich ihnen widmen kannst, wieder auf, gibt es da irgendeine Praktik?

J.J.: Ich bin nicht so Sammler, auch dokumentiere ich nicht viel, also ich bin ganz froh, dass es bei uns jetzt so institutionalisiert ist durch die Oper Dynamo West, dass wir das Buch machen, dadurch gibt es jetzt diese ganzen Dokumentationen, ich glaube bei mir wäre alles verloren also … (lacht) ich sammle viel, schreibe auch immer wieder in meinen Computer etwas rein, filme viel, fotografiere viel, spreche viel, also das nehme ich nicht auf, aber manchmal nehme ich es auf natürlich, wenn ich es auch als Material verwenden will, aber viele Dialoge, die passieren da so zwischen drinnen, aber wie gesagt gut, die Filme, die Fotos, die Texte, die habe ich dann da im Computer, da kann ich die dann immer wieder finden, aber ganz oft ist es so, dass ich das alles machen muss, ich muss das filmen, ich muss das schreiben, ich muss das fotografieren aber eigentlich nur, um in meinen Gedanken weiter zu kommen, und dann so Fotos oder Filme, also Fotos, die sortiere ich dann immer wieder neu, bis ich daraus für mich irgendwie einen Schluss gezogen habe, und dann kann ich weiter gehen, aber dann sind die Fotos auch gar nicht mehr wichtig, also natürlich versuche ich jetzt, sie immer wieder zu archivieren, damit falls ich dann mal wieder irgendwie, das habe ich jetzt gelernt, eine Publikation oder so ansteht, dass man dann auch dieses Material hat, also jetzt zum Beispiel für das Buch, da war ich heilfroh, dass ich noch die ganzen Fotos hatte, aber eigentlich waren sie für mich schon gar nicht mehr wichtig für meinen künstlerischen Prozess, also das sind immer, ja das ist eine Auseinandersetzung, wenn ich fotografiere, also genau, ich gehe auch in einen Raum rein, ich fotografiere das erste Mal, guck drauf und denke so mhh, dann geh ich wieder rein, fotografiere, und dann merke ich, ich werde schon besser, dann werden die Fotos schon besser, und das ist vielleicht auch so ein Dialog, dann nutze ich die Fotos als Dialogpartner, um zu sehen, aha, da hast du es noch nicht so richtig greifen können, da stimmt noch irgend etwas nicht, und dann kann ich das nächste Mal wieder reingehen und mache Fotos und dann merke ich eine Steigerung, eine Qualität der Fotos, also da erkenne ich dann schon mehr in den Räumen, und das ist die bestimmte Qualität von denen, und dann kann ich das schon viel besser fokussieren, ja, Fotos sind so ein Dialogpartner für mich.

E.M.: Naja, eigentlich auch so ein Hilfsmittel, also so ein Zwischenprodukt, das dann aber auch wieder weg, was man dann wieder wegwerfen kann (J.J.: genau), und du sagst, du sortierst das Material, wenn du da arbeitest, oder sortierst es um, worauf schaust du da, auf Dinge, die aneinander reiben, oder auf Dinge, die zusammenpassen oder ja, wie kommt es dazu, dass du das eine neben das andere legst?

J.J.: Also ich glaube das sind so, das sind viele Sachen, die da zusammenspielen also einmal ganz formale Dinge oft also so etwas wie Bildaufbauten oder Farben einmal, dass ich aber auch anhand dessen wie ich die Fotos nebeneinander lege eine Geschichte da drinnen erkennen kann ,einmal dass ich aber auch schaffe Gedankensprünge zu initiieren dadurch dass ich eben die Bilder konfrontiere miteinander und aber das eben so ein, wahrscheinlich fange ich erstmal mit so einer Ordnung an also farblich oder nach Formen oder so, die erstmal so ganz klar ersichtlich ist und dann fängt man aber an durch das längere draufgucken oder so sieht man neue Bezüge und dann kann man es wieder umsortieren und dann ist es aber vielleicht nicht mehr ein formaler Aspekt sondern ein inhaltlich geschichtlicher Aspekt der in den Vordergrund kommt also das, weiß nicht müsste ich einmal tun glaube ich

E.M.: Und sowas machst du quasi alleine (J.J.: ja genau) und danach gehst du wieder zu denen, mit denen du kooperierst und berichtest quasi, was dir so eingefallen ist?

J.J.: Ja auch anhand der Fotos und erzähle dazu, was so meine Idee ist, und halt auch in die Räume reingehen und anhand der Räume das erzählen.

E.M.: Du hast gesagt du, ganz am Anfang hast du gesagt, du liest Räume, und die Fotos, die sind dann quasi so, wie wenn jemand ein Buch liest und ein Zitat daraus schreibt oder so, kann man das so sehen, oder wie wenn jemand Gedanken aus Büchern rausholt und sie notiert?

J.J.: Fotos als Zitate vom Raum, das ist eigentlich eine schöne Metapher, ja, also durch die Fotos versuche ich, bestimmte Aspekte vom Ort greifbar zu machen, da ist das Zitat eigentlich ganz schön, weil es schwingt ja immer noch der ganze Raum mit, aber trotzdem ist es nur ein Ausschnitt.

E.M.: Das finde ich ganz spannend, das mehrmals Hingehen in einen Raum (J.J.: das ist ganz wichtig, ja) und wie sich das verändert, oder was dazwischen sich in dir ereignet, oder was du in der Arbeit dann leistest …

J.J.: Ja und es ist auch nichts Bewusstes, also ich glaube, das ist schon aber, ich mache die ersten Fotos in einem Raum, da ist aber alles noch ganz neu, und man weiß noch gar nicht, worauf man sich in dem Raum jetzt konzentrieren soll, weil es sind so viele Dinge, die auf einen einstürmen, und dann kann man sich sozusagen zurückziehen und in sein Atelier, kann auf die gucken, kann anfangen, mit denen zu kommunizieren, sieht, was einen daran interessiert, dann kann man wieder mit neuem Blick in den Raum, da hat man eine geschultere Wahrnehmung, aber es ist nicht so richtig, ich würde nicht sagen, dass ich das so richtig bewusst mache, also ich gucke mir bewusst diese Fotos an, aber welche Erkenntnis ich daraus ziehe, und warum ich dann einen anderen Blick auf den Raum bekomme, das kann ich glaube ich nicht ganz konkret beschreiben, also ich kann nicht sagen jetzt, nach meinem ersten Fotoshooting sozusagen, den Raum kann ich dann nicht, kann ich dann nicht sagen, so und das und das und das sind jetzt die Aspekte, die mich interessieren, also da ist schon irgendwas, also da ist so eine Kommunikation mit den Fotos, und dann gehe ich in den Raum rein und dann gucke ich geschulter, aber ich weiß noch gar nicht wie geschulter, also ich weiß nicht, aha mich interessiert jetzt dieses nicht oder so, das sehe ich dann erst beim zweiten Mal, und dann gibt es immer Grüppchen, also Objekte, die interessant sind, Stimmungen, die interessant sind, Distanzen, die interessant sind, also es sind dann verschiedene Grüppchen auch.

E.M.: Und du machst das dann immer mit Ausdrucken, also nicht im Computer, sondern dass das auf den Tisch kommt?

J.J.: Ja also mittlerweile bin ich auch so, dass ich am Computer ein bisschen besser bin, aber eigentlich hängen die dann immer ziemlich lange vor mir, also auch wenn ich mit ganz anderen Dingen beschäftigt bin, in meinem Raum herum, und ich gehe da immer dran vorbei, und irgendwann kann ich sie dann wieder abhängen, also die müssen einfach eine Zeit lang hängen und mich begleiten, und dann irgendwann ist es auch wieder gut, zum Beispiel meine Wohnung, ich habe keine Bilder in meiner Wohnung hängen, aber ich habe immer wieder die wechselnden Bilder in Kombinationen in meiner Wohnung hängen von dem, was mich gerade beschäftigt, aber das kann sich jetzt auch nicht stören mit privaten Fotos, die dazwischenhängen, sondern die Wand ist weiß und nur für diese Auseinandersetzungen, also da kann jetzt nicht noch irgendwie hier mein Vater hängen und da mein Neffe oder so und irgendein Poster oder so, das geht da nicht.

E.M.: Gibt es so Momente, wo du das Gefühl hast, es geht nichts weiter?

J.J.: Ja es gibt Momente bestimmt, aber die haben weniger mit meinem inneren Antrieb, Kunst zu schaffen, zu tun, als mit den äußeren Umständen, also dass ich einfach überlegen muss, gucken muss, wo gibt es Geld, wie schaffe ichs, meinen Alltag zu bewältigen und meine Miete zu zahlen, so, also da gibt es Situationen, wo ich denke, da geht es nicht weiter, hätte ich doch eine Banklehre gemacht oder so, oder ich muss jetzt irgendwie mich bewerben, einen richtigen Job finden, mich irgendwo anstellen lassen, dieses Leben als freie Künstlerin, das hat keine Zukunft, jeden Monat muss ich neu überlegen, wie kann ich überleben, und wenn ich älter werde, wie soll das weiter gehen, und das sind dann irgendwie die ausweglosen, das hat aber nichts mit meiner künstlerischen Auseinandersetzung zu tun, also da ist es so, dass ich immer, also bis jetzt das Gefühl habe, ich habe immer wieder neue, es wird immer wieder neues Interesse geweckt, es wird wieder ein Versuch gestartet, also das, da habe ich keinen Moment, wo ich denke, da zweifle ich, das hat alles keinen Sinn, also nein das nicht, das ist eher mit dieser Lebensform als Künstler hadere ich dann und sage, warum können andere immer in den Urlaub fahren und sich teure Computer leisten und ich muss, oder wissen sicher wie sie im Alter mal leben, was bei mir einfach alles völlig ungeklärt ist, und das ist natürlich so ein Risiko und so eine Unsicherheit, mit der ich da permanent leben muss, die mich einfach an meiner, grundsätzlich an dieser Lebensform als freie Künstlerin, die mich damit sozusagen hadern lassen.

E.M.: Also du hast gesagt so Zweifel an dein Dasein als Künstlerin hast du nicht auf der Ebene der künstlerischen Produktivität, aber gibt es innerhalb von einzelnen Arbeitsschritten oder Arbeitsprozessen Phasen des Zweifels, jetzt nicht am Sinn des Künstlerdaseins überhaupt, sondern so am ob das, was du vorhast, stimmig ist oder richtig ist, gibt es da so einen Moment, wo du zögerst, zweifelst, innehältst?

J.J.: Wahrscheinlich jede Sekunde, weil das ist ja immer der Dialog, den ich immer führe, ich gucke da immer, ist das gut, ist das schlecht, erzählt es mir was, bringt es mich weiter, aber so im großen Zweifel, ich glaube den habe ich ausgeräumt in dem Moment, wo ich mich entschieden habe, nicht mehr im Theater zu arbeiten, verstehst du, also da sozusagen, weil da hätte ich wahrscheinlich immer gezweifelt, ist es richtig jetzt da irgendwie das Bühnenbild, also auch wenn ich die Inszenierung nicht gut finde, trotzdem das Bühnenbild zu machen, auch noch für eine Kunstform, der ich nicht richtig glauben kann, aber diesen Zweifel habe ich dann sozusagen, war ich so konsequent, dass ich gesagt habe, ich gehöre da nicht hin in diese Welt und muss in die Realität gehen und muss mich damit auseinandersetzen künstlerisch, und da sehe ich aber das ist für mich sehr wichtig, also ich weiß in der Auseinandersetzung mit der Realität, ich mache da nichts nur für mich, also ich beschäftige mich ja mit Menschen, und in dem Moment, wo ich mich mit den Menschen beschäftige, gebe ich ihnen was, es ist sinnstiftend, weil ich nehme sie wahr und will was wissen von ihnen, und genauso mit den Räumen, und das hat eine totale Berechtigung so eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Umfeld, und da habe ich keinen Zweifel dran, ich glaube weil es nicht so eine abstrakte Form ist, die ich da mache, ich glaube wenn ich jetzt nur Bilder malen, also das habe ich auch gemacht, Bilder malen oder so und mich immer in mein Atelier verkriechen würde, dann hätte ich glaube ich diese Krisen auch, wo ich denke, wofür sitze ich hier und male zwölf Stunden, vierundzwanzig Stunden immer an einem Bild herum, und hinterher will es keiner kaufen, oder keiner kann verstehen, was ich damit zum Ausdruck bringen will oder, das wäre dann glaube ich eine andere Situation, aber in der bin ich nicht, ich bin ja, ich bin nicht so auf mich zurückgeworfen in dem, was ich tue, sondern ich bin ja eher permanent in einem Austausch, in einem Dialog, und da ist es jeden Moment hinterfragen, aber auch immer wieder antworten.

E.M.: Und an den Schritten, die du tätigst, zweifelst du auch nicht, also so, dass du sagst, ach hätte ich das anders gemacht, schlecht angelegt oder so?

J.J.: Es gibt natürlich, naja das ist echt eine Charakterfrage, also Maurice nennt mich immer Zwangsoptimistin (lacht), also ich glaube ich arbeite eher dadurch, dass ich mich motiviere und nicht dass ich mich unter Druck setze, dass da irgendwas nicht geht, also es gibt ja den Mechanismus, dass man sich unter Druck setzt und irgendwann denkt, ich schaffe das nicht, das krieg ich nicht hin, und dadurch entsteht dann was, oder es gibt den Mechanismus, dass man sieht, aja, das ist da raus gekommen ok, dann gehe ich da weiter, also ich glaube ich bin eher so, dass ich suche, was ist das Gute daran, und dann gehe ich weiter, und nicht, was ist das Schlechte daran, deswegen möchte ich es so machen, also das ist glaube ich so eine Strategie, die man sich zurechtlegt, wie man arbeitet, und ich habe die zwangsoptimistische.

E.M.: Wenn man sich eine Strategie zurecht legt, das heißt dann eigentlich, man kann sich das auch ein bisschen aussuchen?

J.J.: ja ich glaube schon, also ich weiß nicht, da bin ich zu wenig psychologisch geschult, es ist aber schon so etwas, das kann man lernen, glaube ich, wie man sich motiviert, wie man arbeitet, also ich glaube ich könnte nicht produktiv sein, wenn ich mich permanent unter Druck setze, dann wäre ich glaube ich ganz blockiert, da würde gar nichts mehr gehen, und wenn ich da immer wieder gucke und sage, das ist doch ganz gut, da mach ich mal weiter, so komme ich irgendwie immer weiter Richtung Ziel.

E.M.: Die Projekte, die du machst, haben ja meistens so einen Zeitpunkt, zu dem sie fertig sein sollen, insofern kann man da jetzt nur danach fragen, wie du das einschätzt, also wenn du das nicht in der Weise projektförmig hättest, deine Arbeit, sondern offener, wenn es keinen Endtermin, keine Aufführung oder so irgendwas gäbe, glaubst du, dass du da in ähnlicher Weise arbeiten würdest, oder würde sich da viel verändern?

J.J.: ich glaube es ist wichtig für mich, diese Präsentationstermine zu haben, weil man in dem Moment auf einmal einen anderen Blick kriegt auf die eigene Arbeit, wenn man sie einem Publikum präsentiert, also da kommt man selber dann mehr von außen, und da kann man wieder besser reflektieren über das, was man tut, und wenn ich das nicht hätte, würde ich mich, glaub ich, würde ich mich ein bisschen verlieren, und dadurch, dass ich aber in diesen Präsentationsmomenten immer wieder selber in den objektiven Blick gezwungen werde, sehe ich ja auch, wo ich Fehler gemacht habe, oder wo es noch nicht gut ist, oder wo noch ein anderer Weg möglich wäre, und dann geht es ja schon los, dass ich für das nächste Projekt weiter denke, also es ist ja doch insgesamt dann ein Prozess, aber es ist ganz wichtig, diese Momente dazwischen zu haben, finde ich, also das ginge, ohne diese Präsentationsmomente ginge es gar nicht, weil ich könnte mich nie in diese Außenperspektieve von alleine begeben.

E.M.: Passt also auch, das ist irgendwie stimmig, diese Rhythmen, die deine Arbeiten …

J.J.: Ja aber ich betreibe halt schon eigentlich alles, was ich tue, als einen Prozeß auch, also die Projekte schließen auch aneinander an, also es ist nicht so, dass ich sage, ich bin jetzt fertig und damit ist es gut, sondern es ist fertig, weil jetzt ist die Präsentation geplant, sondern da sind noch ganz viele Unfertigkeiten drinnen, also es ist nicht perfekt, und das ist das, wo ich anschließe und versuche sozusagen weiterzukommen bis zur nächsten Präsentation, und da sehe ich dann aber auch viele Unfertigkeiten oder Dinge, die mich einfach nicht mehr interessieren, also zum Beispiel mit Darstellern arbeiten, das ist für mich jetzt gerade eigentlich abgegessen, jetzt interessieren mich eher andere Medien, also noch viel fokussierter mit dem Raum umzugehen und ihn zum Protagonisten zu machen und gar nicht Figuren reinzustellen, und das ist jetzt eben, das resultiert aus dem, was davor passiert ist in den Projekten, und deswegen ist das dann schon ein großer Bogen.

E.M.: Spielt Angst irgendeine Rolle in deinem Kreativsein?

J.J.: Ja das ist glaube ich eine große Antriebsfeder, Angst, ich habe ja Angst vor den Menschen, bevor ich mit ihnen das Interview führe, oder Angst vor den Menschen, dass ich, das ist permanent in Verbindung zu Angst, ja, … auch die Räume glaube ich, die ich mir suche, sind ja keine Räume, die, die sind unheimlich ganz nach Siegmund Freud, also die sind eigentlich, die sind natürlich schon aus meinem urbanen Umfeld irgendwie oder es sind natürlich irgendwelche Hochhäuser gebaut, so wie ich es gewöhnt bin, jetzt die uno city Beton und Stahl und Glas so, aber gleichzeitig sind das dann auch irgendwelche Architekturen, die mir auch, also die den Reiz haben, weil sie unheimlich sind auf eine Art und Weise, und das zu erkunden, das ist natürlich auch ein Antrieb, und diese Unruhe, die mich erfüllt, wenn ich so ein Gebäude betrachte, dem will ich auf den Grund gehen auch, und es ist ja jetzt nicht irgendwie eine idyllische Almhütte, die ich mir da aussuche, also es sind ja schon Orte, die auch Angst einflößen auf eine Art und Weise, also ein Bahnhof, wo diese Züge mit dieser Geschwindigkeit durchfahren, das sind diese Riesengefährte, oder die Versuchsanstalt die einfach ewig, riesen Distanzen hat und man nicht weiß, wer dahinten läuft, oder man steht in so einem engen Fahrstuhl und weiß nicht, ob der stecken bleibt, da sind auch viele Apparaturen, wo man nicht weiß, was da passiert, wenn man da den Knopf drückt, oder das leerstehende Schillertheater, fünfzehn Jahre verlassen, und das hat natürlich auch etwas von einem Geisterhaus, oder es sind halt immer Orte auch, die schon aufgeladen sind und wo man hinein projiziert, und wo man auch eigene Ängste rein projiziert, und die Räume, ja, das ist ein Reiz glaube ich, auch ein Aspekt der da stark mit, dass die Räume unheimlich sind und Unruhe stiften, und ich weiß nicht, ob da Angst wirklich der richtige Begriff ist, aber irgendwie schon ängstlich machend, und ich versuche diese Angst auch zu überwinden mit meinen Projekten, indem ich mich diesen Gebäuden annähere und sie für mich erfahre, mir zugänglich mache, in eine Kommunikation mit ihnen komme, und das gleiche ist aber auch mit den Menschen, also ich finde es ja auch immer wieder schwierig, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und eine Vertrauensbasis aufzubauen und nicht verletzt zu werden, also das ist ja auch jedes Mal wieder schwierig.

E.M.: Wenn du dann mit einem Gebäude fertig bist, ist das, was du zu Beginn daran unheimlich gefunden hast dann nicht mehr unheimlich, oder ist das nach wie vor so?

J.J.: Naja ich fahre dann schon meistens durch die Stadt und freue mich, wenn ich das Gebäude sehe, also wenn ich dann wieder rein gehe, ist es mir vertrauter auf alle Fälle, aber die Unheimlichkeit ist nicht weg, die kann ich dem nicht nehmen, aber es ist vertrauter, also ich kann mich sicherer drin bewegen, und die Menschen, die ich wieder treffe, mit denen habe ich dann, also mit vielen habe ich dann ein inniges Verhältnis über die Zeit aufgebaut, und dann ist es auch schön, diese Menschen wieder zu sehen, und das ist natürlich auch toll, dass man irgendwie durch eine Stadt fährt, also ich fahre jetzt durch Berlin und habe einfach viele Orte, wo ich weiß, also wo ich die Menschen auch kennen gelernt habe, also wo man auch immer hingehen kann irgendwie, und das sind aber Menschen, mit denen ich sonst nie zu tun gehabt hätte, das sind irgendwie pensionierte Ingenieure, oder das sind Bahnangestellte, oder das sind Techniker an einem alten Theater, oder das sind Hotelangestellte oder Obdachlose, ich treffe jetzt immer noch welche die ein Stadtmagazin verkaufen, die hatte ich damals für den Bahnhof Zoo interviewt, und die treffe ich jetzt da fünf Jahre danach immer noch auf der Straße, und wir kennen uns also ja, das ist schon so ein, also stimmt, wenn wir jetzt über Angst sprechen, ich mache mir eigentlich mein Umfeld sehr vertraut durch diese Projekte, weil das ist auch ein Antrieb dafür.

E.M.: Ja, das hat für mich so ein bisschen was von sich etwas aneignen, etwas Fremdes aneignen oder so.

J.J.: Ja, um sich sicherer zu fühlen.

E.M.: Und eben du setzt dich mit verschiedenen Räumen auseinander und findest immer wieder neue und so, meinst du, dass das irgendwas mit einer Suche zu tun haben könnte nach d e m Ort, nach d e m Raum oder so (J.J.: das Paradies) ja irgendwie sowas, wo man sagt, man kommt dann an einen Ort und muss nicht an einen nächsten, oder hat das damit gar nichts zu tun?

J.J.: Es war einmal so, als wir angefangen haben, wo wir uns ja auf Westberlin fokussiert haben, eben der Bahnhof Zoo, dass wir dann dachten naja, nach einem Jahr nach zwei Jahren ist es dann vorbei, da gibt es dann nichts mehr Spannendes, aber im Endeffekt haben wir dann fünf Jahre glaube ich über diese Gegend gearbeitet, und jetzt arbeite ich ja auch hier in Wien und in Korea und arbeite auch in Marseille, also jetzt sozusagen weitet sich das schon international aus und mal gucken, ich glaube ich hab noch einiges zu tun, bevor ich dann sagen kann, jetzt reicht es mit dem Raum, nein weil der ist unendlich, wenn man weiter denkt (lacht) und das Universum dehnt sich ja auch noch aus, haben wir ja gerade erfahren, nein keine Ahnung, also ich weiß es nicht, vielleicht komme ich ja mal ans Theater zurück, das kann mir gut passieren, das ist noch so eine Vermutung, die ich habe, da wo ich angefangen habe, wo es mich weggetrieben hat, dass ich da wieder zurückkomme, aber das weiß ich jetzt noch nicht.

E.M.: Hast du das Gefühl, dass du etwas von deiner Arbeit so ein bisschen schützen musst? Also musst du die Einfälle schützen, verbergen oder gibt es Momente, in denen das so ist?

J.J.: Also oft sagen das Künstler zu mir oder fragen mich, ich darf nicht immer so frei mit meinen Ideen sein, also alles gleich erzählen, sonst klaut dir das jemand, aber da ich ja wie gesagt keine Angst davor habe, keine Ideen mehr zu haben, und da diese Ideen, die ich habe immer speziell auf Räume abgestimmt sind, kann mir da, also wenn ich jetzt jemandem erzähle ich arbeite über die uno city und ich habe vor, daran Forschung zu betreiben, das ist ja so spezifisch und speziell, also da müsste einer ja auch genau dieses Interesse haben und, da habe ich irgendwie keine Angst, das ist eher so, dass ich den Dialog suche, um Reaktion zu kriegen und zu sehen wie, und weiter zu kommen, und ich habe nicht das Gefühl, ich muss es schützen, sondern eher ich muss nach außen transportieren und forschen, wo ist es stimmig, wo noch nicht, wo geht es weiter, es ist natürlich auch was anderes, also ich produziere ja auch keine Tonspuren und keine Kompositionen und ich habe auch Video gemacht und da war schon die Frage, wenn wir das jetzt rausgeben an einen Menschen, also da war es oft so, dass die Leute wollten unsere Filme zeigen irgendwo anders, und das kann man ja kopieren, wenn man sowas raus gibt, und da war es dann so ok, dann hat man so ein Wasserzeichen ins Bild gemacht, damit es kopiergeschützt ist und da ist es natürlich wirklich schwierig, und das ist auch echt eine unlösbare Frage finde ich, also Vervielfältigung von solchen Medien wie Ton und Bild, auch im Internet hast du diese ganzen, also ich hier sammle ja auch ganz viele Bilder aus dem Internet zum Beispiel für die Homepage, was ich jetzt für mich jetzt zum Denken verwende, was wir aber für die Homepage gar nicht verwenden, weil das ja irgendwelche Bilder von fremden Personen sind, wo ich kein Urheberrecht darauf habe, die ich aber zum Arbeiten brauche, und das sind natürlich alles Bereiche, wo ich, ja das ist schwierig, das war auch mit, da haben wir im Vertrag ja auch diese Diskussion gehabt, also wem gehört das hinterher, und wer darf es wie verändern, und das ist natürlich schon so, wenn da eine Videoinstallation da steht, dann wäre es ja total komisch, wenn man hinterher, ich weiß es muss 12 Minuten sein, weil das eben was Bedeutendes transportiert, und dann hinterher sagt man nein, jetzt wird das hier gezeigt, und da hast du nur 6 Minuten Zeit, das würde ja nicht gehen, da muss ich es dann schon schützen, also deswegen, Ideen muss ich nicht schützen, aber ich glaube, wenn dann sowas dabei entstanden ist hinterher, dass was im falschen Kontext präsentiert werden kann, also das muss man schützen, aber das ist auch neu für mich, weil ich wie gesagt vorher mit den Inszenierungen ok, da war halt Video, aber die haben wir dann einfach nicht raus gegeben, es war unser Urheberrecht, und die haben wir dann nur in schlechter Qualität mit Wasserzeichen rausgegeben, aber sonst Inszenierungen haben wir ja nicht, das kann dann auch niemand klauen.

E.M.: Und so schützen vor Kontexten, sozusagen Leute, die keinen Zugang haben zu dieser Art von künstlerischer Produktion, muss man das dann schützen vor denen, dass die das missverstehen oder verärgert sind?

J.J.: Das ist ihr gutes Recht und dann sollen sie halt raus gehen, was mich ziemlich geärgert hat war, in einer Inszenierung haben sich Leute total daneben benommen, und die Inszenierung auch gestört, das fand ich schon, und sie sind nicht gegangen, sie hätten ja gehen können, wenn es ihnen nicht gefällt, aber sie sind geblieben und haben die Inszenierung kaputt gemacht dadurch, dass sie unruhig waren und auch gesprochen haben währenddessen und so, aber das ist natürlich schwierig, die haben Eintritt gezahlt, die stehen dann da drinnen, du kannst ja nicht sagen, jetzt gehen Sie mal, Sie reden hier zu viel, aber im Endeffekt haben sie diesen ganzen Abend durch ihre Unruhe zerstört und die Konzentration aus dieser Inszenierung genommen, aber wie kann ich mich davor schützen? Ich kann den Leuten ja nicht einen Mundschutz anlegen.

E.M.: Also das ist ja ganz lustig dann, wenn man eben neue Orte bespielt, dann hat man diese anders verhalten?01:40:00 beziehungsweise kann nicht damit rechnen, wenn jemand in das Burgtheater geht und anfängt zu reden, das geht nicht und das weiß der auch, und wenn er es trotzdem tut, der vor oder hinter ihm sagen wird: raus oder der Platzanweiser oder sonst wer, und wenn du aber an einem Ort bist, wo nicht klar ist, was da gilt, und wo vielleicht auch die Art dessen, was da präsentiert wird, nicht so eindeutig zuordenbar ist, dann musst du alles selber aushandeln und auch da wahrscheinlich einige Dinge, die du nicht beeinflussen kannst, es ist schon eigentlich so ein Hochseilakt oder also irrsinnig viel unglückbares kommt da vor.

J.J.: Ja da sind die Momente dann, wenn es funktioniert, umso besser.

E.M.: Wie geht es dir jetzt so mit erzählen, ich habe da noch so einiges an Fragen da?

J.J.: Ich habe einen Termin am Donauturm, also ich muss um 6 am Donauturm sein.

E.M.: Ja dann wäre mein Vorschlag, dass wir hier mal eine Zäsur machen und das ist jetzt so die Hälfte dessen, was ich dich fragen wollte. (J.J.: Was echt, war ich zu ausführlich?) Nein, ich hab dir ja am Anfang gesagt, ich hab noch nie mit diesen Fragen jemanden was gefragt, und wir haben ja auch hier in unserem Gespräch Fragen entwickelt gemeinsam, also ich würde vorschlagen, dass wir das nächste mal uns einfach Zeit nehmen.

J.J.: Ich weiß halt nicht, wie das Programm ist, wenn ich im November da bin, also ich muss da ziemlich viel recherchieren und Leute treffen aber irgendwann wird es da auch Konzerte geben und da könnte ich dir einfach bescheid geben und wir machen das außerhalb des Workshops.

E.M: Wenn du eine Möglichkeit dafür findest, das wäre natürlich toll, gut, danke!