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miklautz / klement-mihelic: denken ohne netz

„… Es ist ja so, dass es in den Wissenschaften zahlreiche Möglichkeiten gibt, sich außen vor zu halten, sich selbst zu schützen und trotzdem zu produzieren, es gibt zahlreiche Techniken, um zu vermeiden, sich der Frage ‚habe ich überhaupt etwas zu sagen?‘ zu stellen. Es ist relativ selten, dass Wissenschaftler diesen Mut haben, selbst als Denkende sich zu zeigen mit allen Konsequenzen, also ohne Netz zu arbeiten …“


Elfie Miklautz, interviewt am 26.01.12 von Katharina Klement und Ursula Mihelic, Dauer 1:01 Stunden

U.M.: Haben Sie schon mal vom Apfel der Erkenntnis gegessen? (lacht)
E.M.: (lacht) Das ist eine schöne Einstiegsfrage … ja.
U.M.: Also, wie schmeckt er?
E.M.: Bitter.
U.M.: Oh, bittere Erkenntnis, aber nicht nur, oder?
E.M.: Also sagen wir mal so, er lässt einen bitteren Nachgeschmack zurück, insofern, als es so etwas wie eine letztgültige Erkenntnis nicht gibt, oder die nicht zu haben ist.
U.M.: Und das ist das Bittere dran oder?
E.M.: Ja, wenn man darauf aus ist, Erkenntnisse zu gewinnen, und dann erstmals merkt, dass man an diesem Punkt nie anlangt, von dem man zumindest dachte, man kann ihn erreichen, dann ist das schon auch bitter. Im Laufe der Jahre wird man gelassener und entspannter im Hinblick darauf und legt‘s auch nicht mehr so groß an, ja, also man will nicht mehr dort anlangen, wo man zunächst dachte, man könne dort hinkommen, aber zunächst mal ist es eine bittere Erfahrung.
U.M.: Und die Themen, die du dir nimmst oder die du findest, sind die ein Auftrag oder wachsen die einfach aus dir heraus?
E.M.: Ja, die wachsen aus mir heraus, die sind aber ein starker Auftrag dann für mich, aber es gibt zumindest in den letzten … ja … zwanzig, dreißig Jahren keine Fremdaufträge, denen ich nachgekommen bin (U.M.: Ja das meinte ich, das hab ich gemeint) ja, das hab ich zu Beginn meiner Tätigkeit gemacht (U.M.: mhm mhm) vielleicht zwei Jahre lang oder so, dann aber nicht mehr. Wenn es irgendeinen Zusammenhang gab, innerhalb dessen ich was tun sollte, dann hab ich dafür gesorgt, dass ich das so definieren konnte, dass es mit meinem persönlichen Interesse im Zusammenhang steht, aber das war eigentlich auch selten wenn überhaupt je notwendig, eher umgekehrt, ich hab manchmal meine persönlichen Interessenshorizonte ein bisschen angedockt an irgendwelche Themen, die beispielsweise bei mir am Institut wichtig waren oder so … aber es ist nie jemand an mich herangetreten mit dem Auftrag, dieses oder jenes zu erforschen.
U.M.: Und das gibt es aber normalerweise schon in der Wissenschaft?
E.M.: Ja, insbesondere am Anfang einer wissenschaftlichen Laufbahn ist das eigentlich die Regel, dass man beschäftigt wird, um einer Fragestellung, die jemand anderer entwickelt hat, zuzuarbeiten … ja … aus verschiedenen glücklichen Umständen war das bei mir, bei uns am Institut nie so.
K.K.: Also das ist eher hinderlich? Ich vergleiche es jetzt mit einem kompositorischem Auftrag bei mir, da ist es ja eigentlich ein Glücksfall, wenn man so etwas kriegt, aber das glaub ich ist ganz etwas anderes … und es stellt sich anders dar.
E.M.: Ja, ich glaube … in meinem Fall ist es nur ein Glücksfall, wenn jemand kommt und einen Auftrag gibt, der genau dem entspricht, was man ohnedies gerne machen würde, dann wär das auch in dem Fall ein Glücksfall, aber meistens ist es so, dass man sich da schon dann … anpassen muss.
U.M.: Das ist ja bei uns auch so, also du kriegst einen Auftrag, sagen wir mal als Regisseurin, das Theaterstück zu inszenieren, oder als Schauspielerin, das zu spielen, dann machst du das, also als Regisseurin hast du die Auswahl, du machst das, wenn es dich interessiert, als Schauspielerin hast du keine Auswahl, da stehst du auf der Liste, dann machst du diese Rollen, diese fünf Rollen im Jahr, und da muss man halt sozusagen, das ist ein Auftrag von außen und gleichzeitig macht man sich das dann zu eigen und schaut, dass man dabei die größtmöglichste Leidenschaft hat und Lust entwickelt, sich mit dem auseinanderzusetzen, und das bringt einen dann wieder zu sich selber.
E.M.: Ja, in der Forschung hab ich das nie in der Weise gemacht, also nie stimmt nicht, aber abgesehen von den Anfangsjahren dann nicht mehr, in der Lehre mache ich das die ganze Zeit, dass quasi fremdbestimmte Themen, wenn man so will, weil sie halt im Studienplan stehen und weil sie am ehesten mit meinen Arbeitsbereichen im Zusammenhang stehen, von mir abgedeckt werden und ich mich dann, ja ähnlich wie du es beschreibst, ich versuch dann das für mich auch attraktiv zu machen.
U.M.: Sollen wir zu diesen Fragen jetzt mal übergehen?
K.K.: Ja, probieren wir es einmal, also wir haben das jetzt so geregelt, nach einer relativ zufälligen Auswahl jeweils drei Fragen von einer Person ausgesucht und die haben wir jetzt zusammengewürfelt.
U.M.: Ein bisschen haben wir schon darauf geschaut, was einem wichtig ist.
K.K.: Jeder von uns hat sich drei Fragen ausgesucht, und die haben wir jetzt eigentlich schon irgendwie zusammengewürfelt (U.M.: Ja genau) jetzt in der Anordnung, also es kann sein, dass wir jetzt ein bisschen springen, ich schieß einfach mit der ersten Frage los …
K.K.: Wie bewahrst du deine Ideen im Prozess der Arbeit?
E.M.: … Also ich versteh die Frage jetzt einmal so, dass ich irgendwelche Anfangsideen hab, und dann fange ich an, daran zu arbeiten, und die Gefahr könnte darin bestehen, dass ich ganz woanders hingelange und diese ursprünglichen Ideen keine Rolle mehr spielen, und ich müsste extra Vorkehrungen treffen, damit diese ursprünglichen Ideen bewahrt bleiben oder so? Kann ich das so verstehen, die Frage?
K.K.: Wahrscheinlich geht es auf die ursprünglichen Ideen hin.
U.M.: Und auch aufs Grundsätzliche, also man hat Ideen und man hat oft viele Ideen zu einer Arbeit, und wie, sozusagen hast du die alle auf Zetteln aufgeschrieben, hast du die im Computer gespeichert, hast du die einfach im Kopf mit bestimmten Situationen verbunden, wie sind die für dich präsent, dass du mit denen im Prozess einer Arbeit umgehst? So mein ich das.
E.M.: Ok, also jetzt bezogen auf mein erstes Verständnis dessen ist das Problem insofern geringer, als die Ideen wie so ein Hintergrundrauschen immer da sind und dann kann es eben sein, dass ich auf etwas stoße in meiner Forschungstätigkeit, im Lesen, im Recherchieren oder so, das mich wiederum auf andere Ideen bringt und das die ursprünglichen Ideen verändert oder präzisiert oder verformt, ich habe aber immer was ich so Hintergrundrauschen genannt hab, diese Vorstellung oder dieses Bauchgefühl des „ich weiß schon was ich tu“, oder dort, wo es nicht diesen inneren Trieb berührt, mach ich eh nicht wirklich weiter, das heißt ich lass mich da schon auch ein bisschen verführen beispielsweise und in andere Ideenhorizonte bringen, weil ich mir immer sicher sein kann, dass das, was unter Anführungszeichen eigentlich mir wichtig ist, nicht verloren geht. Und was jetzt die technische Seite betrifft, das „wo werden die Ideen quasi aufbewahrt, damit sie immer wieder abrufbar sind“, … also da bin ich nicht sehr akribisch, nicht sehr genau … es gibt Hefte, in die ich schreibe, also gewissermaßen chronologisch, diese Hefte haben nicht so Abschnitte, wo dann zu jeder Idee im jeweiligen Abschnitt dann irgend etwas weiter vermerkt wird, wenn etwas dazu kommt, sondern das geht durch vom ersten Tag bis zum letzten, und da muss man sich dann halt auch zurecht finden. Dann gibt es leider viele Zettel, die einfach so daneben wo liegen, wenn ich in irgendeiner Situation eine Idee habe, die ich dann benutze, aber eben auch nicht abordne oder abhefte, sondern die sind dann halt unter vielen anderen Zetteln auch mit irgendwo, ich weiß aber dann, dass ich das irgendwo mal aufgeschrieben habe und muss mich dann halt auf die Suche machen. Also die Suche nach dem eigenen schon Notierten nimmt bei mir eigentlich relativ viel Zeit ein, weil ich es eben nicht so ordne, ich schreibe meistens alles zunächst mal mit der Hand und nicht gleich in den Computer, von da her eben diese Zettel, und dann gibt es so, das ist dann so etwas ähnliches wie man räumt seinen Schreibtisch auf, da räume ich dann quasi so Zettel und Hefte und Dinge, die mit einem Thema zu tun haben, mir zusammen und mache mir dann Dokumente im Computer, in die ich das übertrage, die drucke ich dann aus, was dann wiederum Zettel sind, die in den Stößen der Zettel quasi sich auflösen, also es ist schon immer so ein Suchen, und es ist aber auch immer dann so eine erfreuliche Wiederbegegnung, also wenn ich dann irgendwelche Aufzeichnungen aus irgend einem bestimmten Grund suche, oder die mir eben plötzlich zufallen, weil ich sie gerade finde, dann freu ich mich über Dinge, von denen ich nicht mehr wusste, dass ich sie mal notiert hatte, wo ich mir gedacht hab, ah, das hast du ja damals schon formuliert, was dir jetzt wichtig ist, und da hast du schon was dazu, also inzwischen weiß ich einfach schon, dass ich immer, wenn ich etwas mache im Sinne von dann finalisieren oder einen Text schreiben, dann weiß ich schon, es ist sinnvoll, alle Computerdokumente und alle Zettel, die irgendwo herum liegen, zu sammeln und mir die mal durchzusehen, weil da sind sicher Dinge dabei, die gut zu brauchen sind, an die ich jetzt gar nicht quasi auswendig denken kann.
U.M.: Das ist bei mir auch manchmal so, dass ich im Auto an manchen Hinterseiten von Parkscheinen schnell einen Satz aufschreibe oder sowas, und dann finde ich das plötzlich und denke mir ah, das ist schön, das passt ja genau zu dem dazu jetzt, so geht es dir wahrscheinlich dann auch (K.K.: Gehen wir weiter) ja gehen wir weiter (K.K.: Willst es du stellen?) mhm …
U.M.: Gibt es so etwas wie Angst bei deiner Arbeit, wenn du in einem Arbeitsprozess bist?
E.M.: …. ja auf unterschiedlichen Ebenen, also auf der oberflächlichen Ebene die banale Angst, nicht rechtzeitig fertig zu werden … auch noch eher an der Oberfläche die banale Angst, nichts Gescheites zusammen zu bringen, also dass zwar irgendetwas kommt, aber dass das eigentlich ja nix besonderes ist. Und auf einer tieferen Ebene ist es eine Angst ähm … eine grundlegendere Angst, mich zu entäußern also … auf der Ebene des etwas von mir Preisgebens und auf der Ebene des ….. eine Behauptung aufzustellen oder Position zu beziehen, also es ist ja so, ich empfinde das so, dass es in den Wissenschaften zahlreiche Möglichkeiten gibt, sich außen vor zu halten, indem man zitiert oder beispielsweise sich dann an ein bestimmtes Paradigma oder einen bestimmten Autor anhängt und dann darstellt, was der zu sagen hat, das vielleicht vergleicht mit einem anderen, der das auch tut, oder die Geschichte der Behandlung eines Themas erzählt. Also es gibt zahlreiche Möglichkeiten … sich selbst zu schützen und trotzdem zu produzieren, ja und sich eben nicht in der Weise … es geht mir glaub ich gar nicht so sehr darum, ob ich mich damit angreifbar mache oder nicht, sondern es ist eine Angst … ob denn das, was ich da tu, überhaupt wertvoll ist … also eigentlich die Frage „habe ich überhaupt was zu sagen?“ und das kann man, quasi sich dieser Frage zu stellen, kann man vermeiden, indem man drum herum die ganze Zeit spaziert und das, also wie gesagt da gibt es zahlreiche Techniken, das zu vermeiden, das ist eh relativ selten, dass Wissenschaftler so in der Weise diesen Mut haben, selbst mhhh … als Denkende sich auch zu zeigen mit allen Konsequenzen, also sozusagen ohne Netz zu arbeiten. Du hast in den Wissenschaften immer die Möglichkeit, mit Netz zu arbeiten, mit Netz meine ich eine bereits entwickelte Fragestellung, an der man weiter arbeitet.
U.M.: Sich da anschließen sozusagen?
E.M.: Richtig, irgendwelche Autoren, auf die man sich zurückbezieht, in deren Denkhorizont man selbst weiter denkt also quasi dieses, diese Isolation des … ich denke, ohne mich da jetzt auf dieses Netz verlassen zu können, erfordert einen bestimmten Mut, auf jeden Fall ist das bei mir so, und das ruft eben Ängste wach, die dann zu Vermeidungshaltungen führen.
U.M.: Hast du also das Gefühl, dass du da so einfach von deinem Inneren so hergibst ( E.M.: Ja), was dann in falsche, auch keine geschätzten Leser oder Hände oder Augen oder Ohren kommt, oder ist das etwas ganz Grundsätzliches, weil ich kenne das, wenn man so eine Arbeit anfängt, ich kann das gar nicht so benennen, so ganz eine innere Angst, ob man überhaupt das Recht hat, das zu machen oder zu behaupten.
E.M.: Ja, so eine Scheu, ich denke eigentlich nicht an den Leser dabei, also in dem Fall schaue ich mir eigentlich selber über die Schulter und bin eigentlich selbst meine strenge Kritikerin oder so, und solange auf dieser Ebene der Selbstentäußerung nichts da ist oder das nur sehr versteckt vorkommt, brauche ich mit mir auch nicht scharf ins Gericht zu gehen, aber wenn das dann kommt, dann wird es … ja … es hat was Beängstigendes, etwas Angstmachendes.
K.K.: Ist es dann, wenn du das geschrieben hast oder den Weg gegangen bist, dass du sagst okay, jetzt arbeite ich ohne Netz, ist es dann nicht auch etwas sehr Befriedigendes, es gemacht zu haben? (E.M.: Ja) oder verschwindet dann irgendwann die Angst oder relativiert sie sich?
E.M.: Ja, auf jeden Fall, aber du musst eben dann irgendwann drüber über diese Barriere.
U.M.: Da schließt eh gleich die Frage an, ich mach die dritte jetzt noch, wie gehst du damit um, wenn du nicht weiter kommst?
E.M.: … Also dieses Nichtweiterkommen ist etwas, was für mich zum Arbeiten immer dazu gehört und, wobei quasi die Phase des Anfangens im Sinne des jetzt habe ich recherchiert und Materialien, Texte und Notizen, und jetzt muss ich quasi anfangen, das ist die ärgste Phase des Nichtweiterkommens und die eigentlich auch am längsten andauernde, aber ich kenne das schon, das ist ein hoch unzufriedener Zustand, und ich habe das Gefühl, ich gehe so wie irgend so ein Raubtier im Käfig herum, also auch im Zimmer auf und ab oder vom Zimmer zur Küche und mache den vierten Tee, und zum Glück fällt mir dann immer noch etwas ein, was ich noch erledigen muss, oder wen ich noch anrufen muss, oder bis vor kurzem hatte ich auch immer irgendetwas, was in Bezug auf meine Tochter wichtig war, oder was ich für sie tun konnte, und das hatte dann immer Vorrang, quasi diese Verhinderung des vorm leeren Blatt Sitzens durch andere Wichtigkeiten, das ist so ein Prozess, und irgendwann weißt du aber, jetzt musst du da durch, du musst jetzt ungefähr fünf Tage vor diesem leeren Blatt sitzen und total unzufrieden sein mit dir, und dann fängst du irgendwann an, und wann das aber ist, das weiß man nie, das weiß ich nicht, oder ich habe auch keine Technik entwickelt, um das zu beschleunigen, eher raffiniertere Maßnahmen, um das hinauszuzögern durch eben alles, was sonst noch so wichtig ist, also immer auch so: zuerst muss ich das und das erledigt haben, sonst brauche ich gar nicht daran denken, jetzt einen Satz zu schreiben, weil sonst habe ich diese innere Ruhe nicht, ja, aber im Wesentlichen, was ich tue, wenn ich nicht weiter komme, ist warten, also mich hinsetzten und das aushalten, dieses Nichtweiterkommen irgendwie aushalten, also mir bringt es nichts, mir von irgendwo Anregungen zu holen, ich muss alle Ablenkungen wegkriegen und dazu gehört auch, dass ich noch, ich weiß nicht, den Augenarzt wegen der Kontaktlinsen anrufen muss oder sonst was, wenn das alles erledigt ist, also ich brauche die absolute Ruhe, und dann kommt diese eigentümliche Art von Verzweiflung und Unzufriedenheit, und dann irgendwann fließt es dann.
K.K.: Hast du dann, denkst du, dass dieses Aufschieben, was man ja so gerne macht, eben dann tut man das noch und staubsaugen, und dann muss man die Wohnung aufräumen und was weiß ich, hast du das Gefühl, dass das auch eine produktive Zeit ist? Also, dass da was entsteht und brodelt oder …
E.M.: Ja, das ist so eine Art, ich weiß nicht, ich habe das schon oft mit einer Schwangerschaft verglichen, ich gehe schwanger rum und werde immer (K.K.: dicker) ja, irgendetwas wird immer voluminöser, in dem Fall ist es halt die Unzufriedenheit und nicht das Kind und … ja und hilfreich ist es dann auch, wenn es irgendwelche Außenverbindlichkeiten gibt in Bezug auf diese Tätigkeit, die da gerade stockt, wenn ich also weiß, dass jemand darauf wartet, dass es fertig wird, das kann helfen, oder das hilft immer, und ich schaue mir immer auch selbst zu dabei und denke mir: ok jetzt hast du noch so und so viele Wochen Zeit, normalerweise hättest du schon längst angefangen, in diesem Fall hast du noch immer nicht angefangen, aber vertrau dir nur, bis jetzt hast du es noch immer irgendwie geschafft und es ist sich ausgegangen, du wirst schon wieder anfangen zu dem Zeitpunkt, der der letztmögliche sein wird, also ich muss dann immer irgendwie mir auch gut zureden, um nicht so völlig flattrig zu werden.
K.K.: Da sind wir dann wieder bei der Angst, gell? (lacht)
U.M.: (lacht) Ja, es ist bei uns genau der gleiche Prozess, ganz gleich, also da kann ich 100% übereinstimmen, eigentlich mit allem bis jetzt (lacht) .
K.K.: Ok, tun wir weiter, schauen wir mal ob wir das alles schaffen. Wie wichtig ist es, dass mindestens ein anderer Wissenschaftler – ich lese das jetzt so runter, wie es da steht – deine Erkenntnisse teilt?
E.M.: Gar nicht.
U.M.: Super, dann können wir gleich zur nächsten Frage gehen.
K.K.: Gut, das nehmen wir als beantwortet hin.
E.M.: Also das ist meine Antwort, das ist nicht die Antwort der Wissenschaft gell.
U.M.: Ja, ich meine dich.
K.K.: Dann glaube ich sind da jetzt eins, zwei, drei Fragen, die zusammengehören: Für wen arbeiten Wissenschaftler, für andere Wissenschaftler oder fürs Volk? Sollte sich die Zielgruppe ändern?
E.M.: Die Wissenschaftler arbeiten für sich, ich als Wissenschaftlerin arbeite für mich, ich arbeite nicht für die Wissenschaft, ich arbeite nicht fürs Volk, und eine Zielgruppe interessiert mich nicht, aber das ist jetzt, Moment, das ist nicht ganz, ich muss da vielleicht so ein bisschen abschwächen, also ich habe kein Sendungsbewusstsein, ich will niemanden aufklären oder so, ich habe vielleicht aber auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen, und ich tu das auch, ich tu das immer, wenn ich lehre, ich sehe aber nicht ein, wieso ich das in dem, was ich schreibe oder irgendwo vortrage, tun sollte, das ist nicht fürs Volk, das Volk sind meine Studenten, da bemühe ich mich dann auch quasi um Übersetzungsmöglichkeiten, dass das bei ihnen ankommt, und versuche auch, die in irgendeiner Weise zu überzeugen von dem, was ich für richtig halte, und das hat dann auch ein bisschen so eine politische Dimension oft, je nachdem, um welches Thema es geht, ja, aber schreiben und vortragen, das sind keine Pamphlete oder auch keine Aufklärungsreden.
(Batterien leer, fehlender Teil)
K.K.: Die Frage war eigentlich so ein Fragenkomplex: erstens, ob ihr Wissenschaftlerinnen nach Wirklichkeiten, Realitäten sucht, und zweitens, ob, wie immer ihr die etabliert, indem ihr da Behauptungen aufstellt, oder wir waren da auch bei der performativen … (E.M.: performativem Sprachgebrauch)
U.M.: Du hast gesagt, sobald man eine Behauptung aufstellt, etabliert man sie ja eigentlich schon als Realität oder Wirklichkeit, und dann auch noch die Frage, was ist eben real, wirklich, reicht so eine Behauptung aus , da haben wir auch über die Macht der Wissenschaftler geredet, dass man da auch eine große Verantwortung hat, eine Behauptung aufzustellen, die, wo man behauptet das ist eine Wirklichkeit zum Beispiel in der, wie du dann gesagt hast, in der Ökonomie, im Bankenwesen, in der Wirtschaftslage sich etwas entwickelt, also in dem Ding waren wir jetzt grad drinnen.
E.M.: Genau, dass Behauptungen über das Funktionieren von Finanzmärkten mit Voraussetzung sind dafür, dass Finanzmärkte dann auch so funktionieren, wie es vorher behauptet wurde, dass sie es schon längst tun, also man kann dazu Theorieeffekt sagen, etwas was theoretisch behauptet wird, dass es, dass es eine Analyse von irgendeinem Tatbestand sei …
(Unterbrechung durch Telefonklingeln)
E.M.: Also was Realität betrifft, ist mein Bild eines, das grundsätzlich, wie wir das nennen, konstruktivistisch ist, das heißt ich gehe nicht davon aus, dass es eine Realität gibt, die wir als diese erkennen, sondern dass wir eine bestimmte Selektion treffen dessen, was wir dann daran wahrnehmen oder als bedeutsam empfinden und uns ein Bild von der Realität bauen, das dann für uns das Reale oder die Realität ist, was eben sehr unterschiedlich sein kann, dieses Bild, und dass man nicht sagen kann, dass das eine näher an der Realität dran sei als das andere, weil was die Realität ist, wir eben nicht wissen können, und die Frage, ob es eine gibt oder nicht, quasi nur alles unsere Vorstellungen sind, ist eigentlich insofern egal, als wir sie, als die Beantwortung dieser Frage mit ja oder nein nicht wirklich einen Unterschied macht im Hinblick darauf, was wir tun, wenn wir uns auf Realität beziehen oder sie zu erkennen versuchen. Also es sind jedenfalls Konstruktionen, Vorstellungen, die wir uns machen von dem, was da draußen der Fall sein mag … und wenn wir, also das wäre jetzt so eine auf quasi Naturwissenschaft bezogene Frage, was ist denn das Reale oder die Realität, und wenn man das jetzt auf Sozialwissenschaften bezieht, dann kann man sagen, dass es eben auch da unterschiedliche Realitäten gibt, unterschiedliche Wahrnehmungen dessen, was real der Fall ist, also es gibt ein Bild, das die Leute sich von dem, was real ist, machen, und es gibt ein Bild von dem, was Wissenschaftler behaupten, dass real der Fall sei, und diese beiden Bilder, also man kann nicht sagen, das eine sei eine völlige Illusion und das andere sei wahr, sondern beide sind quasi so Sichtweisen auf die Realität aus einer bestimmten Position heraus, und zum Bild von der Realität – das Bild wird realistischer, wenn man all diese vielen Sichtweisen, die da existieren, versucht aufeinander zu beziehen, so dass, also wenn ich als Wissenschaftlerin behaupte, ich weiß irgendetwas über soziale Realität, das widerspricht völlig dem, was die Menschen selbst glauben, dass der Fall ist, dann kann ich nicht sagen, das ist mir egal, sondern meine Aufgabe ist es dann, das auch mit einzubeziehen, also deren Sicht der Realität ist quasi mit Gegenstand für mich, das heißt ich muss dann auch erklären können, warum deren Sicht der Dinge so ist wie sie ist und nicht anders, und deren Vorstellung von Wahrheit hat quasi genauso ihre Berechtigung wie meine … ja das klingt jetzt irgendwie furchtbar …
K.K.: Na ich glaube das wird, das scheint mir jetzt für mich ein wesentliches Merkmal oder ein Unterschied zur Kunst, also ich rede jetzt von meinem Bereich, wenn man komponiert, natürlich schaffe ich auch Realitäten, aber letztlich trifft mich so die Realität erst dann, wenn ich merke, es kommt jetzt eigentlich niemand zu meinem Konzert, aber ich glaube in der Komposition selbst brauche ich jetzt niemanden, so etwas wie irgendeine Realität, ich brauche sie nicht schaffen, oder meine Behauptung ist irgendwo wenn man so will realitätsferner, weil ich ja auch nicht eine Sprache benütze und weil Musik sowieso schon abstrakt ist, natürlich geht es ja da in einem bedingten Maße um so etwas wie Wirklichkeiten, aber ich glaube es hat sehr viel mit Macht auch zu tun, wenn ich etwas behaupte, das prägt ja Jahrhunderte, das prägt auch eine Kunstanschauung, wenn jetzt der Schopenhauer kommt und sagt, Musik ist die höchste aller Künste, auf einmal wird die Musik höher bewertet, und das geht solchen Behauptungen voraus, drücke ich mich deutlich aus? Weil es meine Frage ist, deswegen bohre ich da jetzt so ein bisschen nach, weil es mich sehr interessiert.
E.M.: Also ich würde in dem Fall, ohne das Verhältnis völlig umdrehen zu wollen, würde ich nachfragen, stellst du denn den Anspruch, mit dem, was du tust, Realität zu begreifen?
K.K.: Nein, … nein, für mich gibt es ja auch nicht so eine Realität, die ich jetzt, aber man stellt eigentlich Realität in den Raum, ja (E.M.: genau, man produziert sie) man produziert sie, so meine ich, und was braucht ihr dazu? Ihr braucht jetzt eine Behauptung, ist meine Frage, oder wie geht das, oder das hast du eigentlich eh schon gesagt .
E.M.: Ja eine Behauptung und eine Begründung dafür, ja.
K.K.: Begründung ist ja einfach .
E.M.: Also dieser Zwang zur Begründung denke ich, ist auch ein Unterschied zur Kunst.
U.M.: Das ist ein großer Unterschied, weißt, weil in der Kunst begründest du nicht in dem Sinn, erklärst du nicht.
E.M.: Erklären muss ich nicht, aber begründen muss ich können.
U.M.: Für dich selbst musst du es schon begründen.
K.K.: Und letztlich muss es schon auch standhalten, aber es ist viel subtiler und da trennt sich dann sehr viel, also welche Werke dann auch Bestand haben, die haben dann genau dieses, da geht es sehr wohl um eine gewisse Realität, oder deshalb ist es, schwieriger Begriff, ich weiß schon, mir geht es jetzt da nicht darum, eben etwas zu begreifen oder eine Wahrheit für alle zu finden, sondern man baut ja ständig daran, Realitäten sind (lacht) glaub ich ein ständiges, wie so ein Kaleidoskop, es gibt viele gleichzeitig und die verändern sich sehr schnell, und ihr baut ja auch auf etwas auf, man steht ja da immer auch in einer Tradition von eben, und für euch sind es halt, weiß ich nicht, Schriften oder Bücher, die real sind.
E.M.: Ja, und auf die müssen wir uns auch beziehen, und innerhalb derer müssen wir auch begründen, wieso wir jetzt beispielsweise etwas anderes zu behaupten wagen.
K.K. und U.M.: Ja, genau.
K.K.: Ok, dann gehen wir weiter, wir sind eh noch …
U.M.: Wann und warum hast du dich entschieden, Wissenschaftlerin zu werden?
E.M.: … Wann, ich nehme an …, nein, es gab den Zeitpunkt der Entscheidung nicht.
U.M.: Bist du da hineingewachsen wahrscheinlich durch das Studium?
E.M.: Ja, ich kann mich erinnern, als ich das Studium abgeschlossen hatte und dann schon eine Zeit lang auch an einem Forschungsinstitut tätig war …
U.M.: (unterbricht) Was hast du eigentlich studiert?
E.M.: Eine Mischung, ich habe Pädagogik, Soziologie und Philosophie gemacht, und ich habe dann in dem Forschungsinstitut gearbeitet quasi fremdbestimmt, und das war diese Phase dieser Auftragsarbeiten, und bin dann dort aus eigenen Stücken weggegangen, weil ich nicht mehr unter solchen Bedingungen arbeiten wollte, und hab mich dann für eine Stelle, die gerade an der Uni ausgeschrieben war, beworben, und habe die bekommen und war völlig überrascht, weil das zum damaligen Zeitpunkt schon das war, was ich eigentlich machen wollte, aber nie gedacht hätte, dass ich auf so etwas Anspruch erheben könnte oder so, es war fern von, es schien mir nicht realistisch, danach zu streben, dennoch war es zum damaligen Zeitpunkt genau das, was ich wollte, aber so einen Zeitpunkt der großen Entscheidung gab es nie. Und die Frage „warum?“ … Ich wollte mal Musikerin werden … und das war dann die zweite Wahl.
K.K.: Und warum nicht die erste?
E.M.: Ich glaube da gibt es mehrere Antworten darauf, eine Antwort ist sicher, also ich hätte wahrscheinlich eher diesen Weg gewählt, wenn ich mehr Unterstützung bekommen hätte, mehr Ermutigung, und die andere ist … eine Mischung aus Angst und Faulheit.
U.M.: Aber vielleicht bist du eben deshalb so eine Wissenschaftlerin geworden, wie du eine bist, eigentlich die irgendwie schon am Rande der Wissenschaften steht, ich habe das Gefühl, du bist sozusagen am Rand der Wissenschaften in Richtung hin zur Kunst, deshalb machst du jetzt auch dieses Projekt, das ist ja auch eigentlich so ein Grenzgang, du bist schon eine Grenzgängerin (E.M.: ja), also so empfinde ich dich zumindest.
E.M.: Ja, das war ich auch immer in der Themenwahl, also ich habe auch im Studium mit einer Arbeit über Kunst dann, das war meine Diplomarbeit, meine Abschlussarbeit.
U.M.: Also du lebst eigentlich den Teil auch immer und auch mit deiner Tochter, nehme ich an, mit, oder?
E.M.: Ja, also es freut mich, dass sie das gerne macht, was sie da gerade tut und dass das mit dem korrespondiert, klar, aber … ja es gab dann eigentlich vor, ich weiß nicht, sechs Jahren nochmal so etwas, was man dann in der Tat Entscheidung nennen könnte, dass der Bereich, mit dem ich mich in Zukunft beschäftigen werde, dass ich mich entschieden habe, dass es sich um Musik handeln solle, aber halt im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit und in irgendeiner Weise noch anschlussfähig an die wissenschaftliche Welt, ja, und ungefähr aus dieser Zeit stammt dann auch der Wunsch, andere Ausdrucksformen zu finden für das, was ich tue, also nicht in dieser, weil da ja vorher die Frage nach der Sprache der Wissenschaft und auch nach der Argumentationsweise der Wissenschaft gestellt wurde, also ich möchte eben anders schreiben oder in anderer Weise das, was mir wichtig scheint, zur Welt bringen.
U.M.: Sollen wir weiter machen?
K.K.: Ich wollte jetzt fragen, wir müssen ja jetzt da nicht, ich wollte jetzt fast sagen: danke für das Gespräch, weil das von meinem Gefühl her jetzt so passen würde, natürlich ist da jetzt noch eine ganze Latte von Fragen, du bist vielleicht auch müde, das ist ja nicht so ohne.
E.M.: Ja, was ich mir auch vorstellen kann ist, dass wenn da noch wichtige Sachen sind, dass wir das mal fortsetzen oder weiterführen.
U.M.: Also die letzte Frage ist eigentlich beantwortet für mich, improvisiert ihr als Wissenschaftler, wie fließen eure Intuitionen ein? Das hast du für mich schon beantwortet am Anfang.
E.M.: Ja, also das wär mal drei mal ja auf diese Frage, ja.
U.M.: Joseph fragt:“ ich wollte mich immer mit Sprache beschäftigen, als ich noch nicht sicher war, ob ich literarisch schreiben werde, habe ich es als außerordentlicher Hörer auch wissenschaftlich versucht, habe aber die Befriedigung nicht gespürt, die ich später beim Schreiben erlebt habe. Gibt es denn diese innere Befriedigung als Wissenschaftler?“
E.M.: Ja, es gibt für mich eine innere Befriedigung.
U.M.: Was sozusagen den Prozess des Schreibens betrifft oder?
E.M.: Ja, also wenn es da fließt, habe ich mitunter auch das Gefühl, dass dabei etwas entsteht, wovon ich am Anfang nicht wusste, also ich weigere mich eigentlich auch, naja weigern weiß ich nicht, es gibt ja Menschen, die in den Wissenschaften sehr strukturiert vorgehen, die machen beispielsweise irgendeine Struktur, wenn sie über irgendein Thema etwas machen, eine Struktur oder vielleicht sogar einen Argumentationsgang oder ein Inhaltsverzeichnis, und dann füllen sie das aus, also wie Willi beispielsweise gesagt hat, er hat zehn Mappen, das sind zehn Abschnitte seines zukünftigen Buchs, so etwas habe ich nicht, weil ich weiß überhaupt nicht, was der Abschnitt 7 sein wird, wenn ich bei Abschnitt 2 bin, sondern ich bin da relativ prozessorientiert und ergebnisoffen in meiner Vorgangsweise, und es entstehen wirklich im Schreiben Gedanken, also wie man sagt, dass quasi die Gedanken im Sprechen entstehen oder umgekehrt, so entstehen bei mir im Schreiben Gedanken und Zusammenhänge, die mir vorher nicht als Möglichkeiten bewusst waren, und das gibt dann genau diese Befriedigung … ja … und je freier das ist, quasi so ein Rückverweis auf diese Ursprungsfrage zur Angst oder so, je freier ich Sätze formuliere oder Gedanken formuliere, also je weniger Netz ich dafür … brauche, desto befriedigender ist es, also ich habe eben dann auch angefangen, mit anderen Textsorten zu experimentieren, nicht mehr diese wissenschaftlichen Texte, sondern eher essayistisch zu arbeiten, und das ist, was jetzt diese Frage der Befriedigung betrifft, ja, gibt das etwas her.
U.M.: Dazu habe ich eine ganz persönliche Frage, wenn du jetzt in so einem Schreibfluss drinnen bist, ich kenne das ja auch, dann fängt man an und dann geht es so los und dann schreibt man manchmal auch sehr viel, wenn du das dann, sagen wir mal drei Wochen später liest noch einmal, wunderst du dich da manchmal über deine Gedanken oder über das, wie du da gedacht hast?
E.M.: Nein, ich bin nur erfreut, also ich freue mich dann im Sinne der Befriedigung, dass sich das so entwickelt hat, was vielleicht auch noch dazu gehört, oder was ich dazu noch sagen möchte, ist, dass ich nicht jemand bin, der wild drauf los schreibt und dann redigiert und zehnmal überarbeitet, sondern ich ändere kaum etwas, also wenn ich mal schreibe, dann ist jeder Satz ein schon sehr durchdachtes Gebilde, und da wird nicht mehr viel daran geändert oder gar weggeschmissen, das ist dann, aber wie gesagt, ich habe eine gewissen Hemmung, überhaupt zu schreiben, oder ich schreibe weder schnell noch viel, ich schreibe sehr wenig.
U.M.: Also sozusagen du formulierst eigentlich schon im Aufschieben, weil wir über das Aufschieben geredet haben, eigentlich ist der Prozess des Aufschiebens für dich dann auch dahingehend produktiv, weil du innerhalb dieser Zeit eigentlich schon immer mit, unbewusst auch mitformulierst und mitdenkst, nehme ich an.
E.M.: Ja, es arbeitet in mir in der Zeit.
U.M.: Weil sonst könntest du das dann gar nicht so prägnant hinschreiben.
K.K.: So wie das Interview jetzt, wenn man dich fragt, dann hört man es richtig denken, aber wenn du es dann sagst, dann ist es eigentlich sehr klar, so erlebe ich dich, manche Leute, die entwickeln dann im Reden ihre Gedanken, du bist glaube ich jemand, die vorher nachdenkt.
E.M.: Ja, im Schreiben ist es jedenfalls so, dass ich, aber es ist eben nicht auf dieser bewussten Ebene so, dass quasi fertig Durchdachtes dann zu Papier gebracht wird, sondern dass da etwas in mir gedacht wurde, wird mir selbst erst sichtbar, indem ich es dann aufgeschrieben habe, also im Schreiben konkretisiert sich das dann, oder so wird es mir verfügbar, ich habe es nicht im Kopf verfügbar, sondern der Schreibfluss selbst, und da ist eben diese Handschriftlichkeit für mich sehr wichtig, für dieses Entstehen von Gedanken im Schreiben, dass ich das mit der Hand mache, und auch mit einem bestimmten Papier und einer bestimmten Weichheit des Kugelschreibers und so, also da ist der Spielraum nicht sehr groß für dieses Material, mit dem ich da etwas mache.
U.M.: Landeshauptmann Dörfler hat gestern das silberne Ehrenzeichen vom Land Kärnten erhalten (E.M.: gestern erst) und hat es Kärnten geschenkt. Wo würdest du das Ehrenzeichen hinstellen? (lacht)
E.M.: Bekäme ich es?
U.M.: Wo würdest du es als Elfie Miklautz plazieren?
E.M.: Ich bekäme dieses Ehrenzeichen?
K.K.: Nachdem er es jetzt ganz Kärnten geschenkt hat, so versteh ich das.
U.M.: Er hat es ganz Kärnten geschenkt, also hast es du gekriegt.
E.M.: Ok, mhm, ich würde es in irgendeinen witzigen Kontext einbauen, mir ist jetzt nicht sofort einer präsent, aber ich würde das eben so anschrägen, ich meine ich würde es zurückgeben eigentlich, aber wenn ich es nicht zurückgeben kann und das muss irgendwo bei mir wohnen oder so, dann würde ich das halt so inszenieren, so dass es als Stellungnahme meinerseits zu dieser Art von Ehrung lesbar wird.
U.M.: Welchen Fetischismus habt ihr? Hast du? Das ist auch vom Joseph (lacht).
E.M.: … Die Frage find ich ziemlich gut mh … Oberflächen, Formen, also ich nehme an oder sagen wir mal so, das ist eine große, große Frage, ich beziehe sie jetzt auf meine ganz konkrete Arbeitswelt, also gibt es da drin irgendwelche fetischisierten Elemente …………… ja ok, banal, Stifte, Papier, Schreibtischoberflächen, also auf so einer Oberfläche könnte ich nicht, also wenn ich mir das anschaue, diese quasi Pseudoholzmaserung, dann find ich das so, also mir ekelt (U.M., K.K. lachen) dann, das ist richtiger Ekel, also sagen wir so, mein Fetisch ist eigentlich die Reduktion und die Abwesenheit von vielem von Welt und von …, alles was entbehrlich ist soll weg sein, das ist so eine Basisvoraussetzung, also natürlich kann ich auch auf solchen Tischen, aber ich muss mich überwinden, ich muss mich quasi den ganzen Tag überwinden, um das, was Stadt heißt und in der Stadt sein und in der Stadt leben wegzufiltern, und das kostet viel Energie, und das heißt ich kann auch funktionieren in Zusammenhängen, die nicht dem entsprechen, was mir ästhetisch als zuträglich erscheint, aber es funktioniert anders eben besser, also quasi fetischisiert ist jedenfalls mal der Arbeitsplatz als Arbeitsplatz, der wird, und selbst wenn es irgendwo ist wie hier, in einer Weise zugerichtet, dass er weitgehend abgeschirmt ist oder unstörend ist, ja also ich kann auch gut improvisieren, ich muss jetzt nicht eine ganz bestimmte Schreibtischoberfläche haben, ich kann schon improvisieren, aber es muss immer eine Zurichtung stattfinden (U.M.: dass es nicht zu störend ist, gell) ja, auf, dass es mir möglich ist, dort zu sein.
U.M.: Ja, das ist eh schon viel, danke Elfie.